Seit der Saison 1973/74 versuchen mehr oder weniger regelmäßig deutsche Mannschaften an der Londoner White Hart Lane ein Fußballspiel zu gewinnen. Der 1. FC Köln (0:2) scheiterte als erstes Team, es folgten 1. FC Lok Leipzig (0:2), Eintracht Frankfurt (0:2), Bayern München (1:1, 0:2), der. 1. FC Kaiserslautern und Werder Bremen (0:3).

Borussia Dortmund sorgte jetzt für ein Novum in der Europapokal-Historie: Denn der BVB erzielte nicht als erste deutsche Mannschaft zwei Treffer an der White Hart Lane, sondern gewann auch noch bei Tottenham Hotspur. Und was das Ganze noch toppte: Die Leistung war erneut bärenstark.

„Dortmund hat auf Champions-League-Niveau gespielt“, sagte nach der Partie Tottenhams Teammanager Mauricio Pochettino fast schon bewundernd. Ob die Leistung Königsklassenformat hatte, das wollte und konnte Thomas Tuchel nicht beurteilen, schließlich habe er noch nie eine Mannschaft in der Champions League gecoacht.

„Gespielt, als stünde es 0:0“

Was jedoch zweifelsfrei ist: Es war erneut beeindruckend, mit welcher Souveränität, Spielfreude im Angriff und Stabilität in der Verteidigung der BVB an der White Hart Lane aufgetreten ist. „Wir sind so gestartet, als stünde es in der Gesamtaddition 0:0. Wir wollten unbedingt gewinnen, unabhängig vom Hinspiel“, analysierte Matthias Ginter.

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Die Szene nach dem Patzer von Neven Subotic.

Weil Schwarzgelb sehr hoch verteidigte, kamen die „Spurs“ nur selten wirklich gefährlich vor das von Roman Weidenfeller gehütete Tor. Dass es beim 1:2 überhaupt zu einem Treffer gereicht hat, ist einem dicken Lapsus von Neven Subotic, der Tottenhams Son den Ball genau in den Lauf gespielt hatte (74.).

Zuvor hatte Pierre-Emerick Aubameyang aber bereits alle Weichen auf Sieg gestellt. Erst mit einer sehenswerten Einzelleistung (24.), später nach Vorlage von Mkhitaryan (70.) zum 2:0. Bereits nach dem 1:0 sei das Spiel aber „eigentlich schon gegessen“ (Gonzalo Castro) gewesen.

Der englische Guardian schrieb von „Aubameyangs Magie, die alle Hoffnungen auf ein Comeback nie ernsthaft aufkommen ließ“.  „Nach dem Gegentreffer war es schwierig für uns“, erkannte auch Spurs-Manager Pochettino, der erneut kräftig rotieren ließ. Thomas Tuchel: „Beide Trainer hatten die Möglichkeit, eine Mannschaft aufs Feld zu schicken, die in der Lage ist zu gewinnen. Ich war bei meiner davon überzeugt, und ich denke, dass mein Kollege bei der Aufstellung seiner Mannschaft auch dieser Überzeugung gewesen ist.“

Die Diskussion, ob Tottenham sich mit einer anderen Aufstellung gegen den BVB besser aus der Affäre gezogen hätte, ist müßig. Tuchel: „Wir haben uns wenig Gedanken darüber gemacht, ob die Aufstellung die beste, nicht die beste, die B-, die C-, die 2a-Aufstellung ist. Whatever. Wir haben uns auf uns konzentriert. Da liegt unsere Stärke.“ Am Ende steht in der Addition ohnehin ein 5:1, das alle Fragen im Keim erstickt. Der Mirror schrieb in Bezug auf die Borussia bereits von einer „echten europäischen Supermacht“.

Topleistungen in veränderten Konstellationen

So weit ist es noch nicht ganz, der BVB ist Achter in der europäischen Klubrangliste, nach dem FC Porto (2:0, 1:0) wurde mit Tottenham Hotspur (3:0, 2:1) aber erneut ein Spitzenteam aus dem Wettbewerb geworfen. Im Fokus steht dabei der gesamte BVB-Kader, der es schafft, immer und immer wieder in völlig veränderten Konstellationen Topleistungen abzurufen. „Ich finde es bemerkenswert, welchen Willen und welchen Hunger die Mannschaft alle drei Tage zeigt. Sie steht mit beiden Füßen auf dem Boden. Die Mannschaft ist in der Lage, die Vorgaben flexibel umzusetzen; sie hat große Lust“, lobt Trainer Tuchel.

Und die Lust, weiter erfolgreich zu sein, ist bei den Schwarzgelben noch nicht gebrochen. „Wenn wir weiter so spielen, haben wir – unabhängig von der Auslosung – gute Chancen, auch noch eine Runde zu überstehen“, erkannte Lukasz Piszczek mit Blick auf die Auslosung am Freitagmittag. Ein Wunschlos hat der BVB übrigens nicht. „Wir nehmen, was kommt“, sagt Matthias Ginter. (fu)