Die Stimmung war natürlich gut, als Mannschaft und Offizielle am Donnerstagmittag in den „Mannschaftsairbus“ einstiegen und Flug EW1909 sich aus Warschau verabschiedete. Mit dem höchsten Auswärtssieg aller Zeiten im Europapokal und dem zugleich höchsten Erfolg überhaupt in der UEFA Champions League war Borussia Dortmund erfolgreich in den Wettbewerb gestartet.

Die große Frage, die über dem gestrigen Fußball-Abend schwebte, lautete: War Borussia beim 6:0-Kantersieg so stark oder Legia so schwach? „Keine Ahnung“, meinte der darauf angesprochene Thomas Tuchel: „Es lohnt sich auch nicht, darüber zu philosophieren. Immer, wenn es einfach aussieht, steckt die meiste Arbeit dahinter. Es war ein Problem für Legia, dass wir eine sehr, sehr starke erste halbe Stunde gespielt haben, effektiv, mutig und selbstbewusst waren, unsere ganze Qualität auf den Platz gebracht haben.“

„Wenn es einfach aussieht, steckt die meiste Arbeit dahinter“

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Starkes Spiel: Raphael Guerreiro

Statistiken sind in diesem Fall ein hilfreicher Indikator, die eine Leistung einzuordnen helfen. In der Geschichte der UEFA Champions League – und da gab es schon so manchen haushohen Sieg – lag noch nie eine Mannschaft nach 16 Spielminuten mit 3:0 vorn. Und insgesamt 30 Schüsse aufs Tor bedeuten immerhin Vereinsrekord für Borussia in diesem Wettbewerb. „Wir werden das inhaltlich analysieren und nicht jetzt schon dem Gegner die Qualität in Abrede stellen“, so Tuchel: „Wir waren klar überlegen und haben daraus viel gemacht. Wenn du merkst, dass du effektiv bist, kann es mal passieren, dass viele Tore fallen.“

Die Systemumstellung vom 4-2-3-1, aus dem bei eigenem Ballbesitz durch den aufrückenden Schmelzer häufig ein 3-2-4-1 wird, zu einer 4-1-4-1-Grundordnung mit Weigl als alleinigem Sechser tat der Mannschaft am gestrigen Abend jedenfalls gut.

„Wir waren von der ersten Minute voll da, haben die Torchancen früh genutzt und gut gespielt“, meinte Mario Götze: „Gerade nach dem Spiel am Wochenende in Leipzig, wo noch Luft nach oben gewesen ist, war das wichtig für uns. Man hat gesehen, dass wir auch anders können.“ Statt leichtfertiger Ballverluste sah man an der Schnur gezogene Zuspiele (Passquote 92 Prozent!).

Götze und Guerreiro treiben die Mannschaft an

Weltmeister Götze drehte gemeinsam mit Europameister Raphael Guerreiro die Schwungräder. „Gute Fußballer verstehen sich eben, auch wenn sie noch nicht die gleiche Sprache sprechen“, bemerkte Sportdirektor Michael Zorc. Der Portugiese, der bei der EM als Linksverteidiger glänzte, wird von Tuchel immer häufiger im (zentraleren) Mittelfeld eingesetzt und bringt dort neben ausgeprägten technischen Fähigkeiten sein herausragendes taktisches Verständnis ein: „Es ist wahr, dass wir uns gut verstanden haben. Mario ist ein großartiger Spieler mit großartigen Qualitäten. Ich habe mich sehr wohl gefühlt an seiner Seite. Wir haben uns oft gesucht – und auch oft gefunden.“

„Warschau war von der Qualität her nicht Madrid“

Im Grunde gilt diese Aussage für die gesamte Mannschaft: Sie muss sich noch finden. Wie der Sieg in Warschau letztlich einzuordnen ist, werden die kommenden Spiele zeigen. „Warschau war von der Qualität her eben nicht Real Madrid“, sagt Zorc.

Die Königlichen sind am 27. September zu Gast im Signal Iduna Park.
Boris Rupert