84 Torchancen hat sich Borussia Dortmund laut kicker-Sportmagazin bisher in dieser Saison herausgespielt, das sind immerhin 6,5 pro Spiel. Das Riesenmanko: Nur 16,7 Prozent davon wurden verwertet. Wäre der BVB genauso kaltschnäuzig vor dem Tor wie seine Gegner (35 Prozent), hätte er statt bislang 14 stolze 30 Treffer erzielt (zwei weniger als die Bayern) und wäre wahrscheinlich unter den Top Five. Ist er aber nicht. Seit dem 0:2 in Frankfurt ist Schwarzgelb Tabellenletzter.

Letztmals belegte die Borussia am zweiten Spieltag der Saison 2007/08 Rang 18. Weniger als elf Punkte nach 13 Spieltagen gab es zuletzt 1985, damals waren es sogar nur zehn, und der BVB trug ebenfalls die „rote Laterne“. „Wir sind mitten im Abstiegskampf angekommen, das muss jedem klar sein“, sagte Sportdirektor Michael Zorc nach dem Auftritt in Frankfurt.

„Die Stimmung ist am Tiefpunkt. Wir wissen auf welchem Tabellenplatz wir stehen. Viel zu erklären, gibt es gerade eh nicht. Die Situation ist brutal schwierig. Jeder hat in der Kabine einen Moment gebraucht, um darüber nachzudenken. Ein bitterer Tag für uns“, meinte Sven Bender bei sky. „Wir haben unter Woche viel gesprochen und viel probiert. Wenn am Wochenende keine Punkte herauskommen, ist das bitter“, erklärte Sebastian Kehl.

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Der BVB verlor in Frankfurt die Punkte und Außenverteidiger Lukasz Piszczek.

Mit Blick auf die sportliche Zielsetzung betrachtete Michael Zorc das 0:2 in der Commerzbank-Arena als eine Zäsur: „In den letzten Wochen hat man immer nochmal geschaut, wie sind die Abstände weiter nach oben, damit ist spätestens jetzt Schluss. Es geht nur darum, bis Weihnachten zumindest, so viele Punkte wie möglich zu holen, um diese Abstiegsplätze zu verlassen. Alles andere wäre Schönfärberei.“

Wie schon in London den Start verschlafen

Bei der Eintracht wurde dem BVB zum Verhängnis, dass er trotz aller Beteuerungen wie schon beim 0:2 in London am Mittwoch erneut den Start verschlief. Keine fünf Minuten waren gespielt, da traf Alexander Meier zum 1:0 für Frankfurt. „Wir sind hochmotiviert in diese Begegnung gegangen, haben aber frühzeitig einen Nackenschlag bekommen. Für uns und in unserer Situation war das frühe Gegentor die denkbar ungünstigste Spielentwicklung. Das hat uns weh getan, das hat man gesehen, das hat man gespürt“, analysierte Jürgen Klopp.

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Neven Subotic gegen Frankfurts Inui.

„Es war eine ganz blöde Situation. Die schlagen einfach den Ball raus, und am Ende fällt das 0:1“, beschrieb Sebastian Kehl die Szene, als Marco Russ nach einem Fehlpass aus der eigenen Hälfte den Ball (un)gewollt direkt in die Nahtstelle der Dortmunder Abwehr passte. Ginter und Subotic kamen somit zu spät, Weidenfeller war beim achten Saisontor von Alex Meier chancenlos.

Die BVB taumelte zunächst, war im Zweikampfverhalten mit einer Quote von phasenweise unter 40 Prozent und im Passspiel (65 Prozent Passquote) schwach, schüttelte sich dann jedoch und fand mit zunehmender Spielzeit besser in die Partie. Zunächst Mkhitaryan mit der schnellen Chance auf den Ausgleich (7.), dann Aubameyang und Großkreutz (24.) sowie Kehl (28.) hatten den Ausgleich auf dem Fuß, er fiel jedoch genauso wenig wie in der zweiten Hälfte, als Ramos (51.) und Gündogan (81.) die besten Möglichkeiten vergaben.

Nur in vier Spielen weniger Chancen als der Gegner

„In der zweiten Halbzeit sind wir sehr druckvoll gewesen, wir hatten einige Tormöglichkeiten. Am Ende hat es nicht gelangt, um wenigstens den Ausgleich zu erzielen“, sagte Sebastian Kehl.

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Alex Meier gegen Neven Subotic

Statt 1:1 hieß es sogar 0:2, da Seferovic (78.) einen Abstimmungsfehler zwischen Ginter und Weidenfeller eiskalt bestrafte. Klopp: „Wir kassieren dieses Tor erneut auf eine ungewöhnliche Art. Es passt in unser Kuriositätenkabinett. Ob wir 0:1 verlieren oder 0:2, macht den Kohl nicht fett. Wir haben ja eh kein Tor geschossen.“

Womit wir wieder beim Thema Chancenverwertung wären: In der aktuellen Saison gab es bisher lediglich vier Partien, in denen Schwarzgelb weniger Torchancen besaß als der Gegner. „Verdiente Niederlagen“ waren demnach das 1:2 auf Schalke (4:5 Chancen), das 0:1 gegen Hamburger SV (4:6), das 1:2 bei den Bayern (4:10) sowie das 0:2 in Frankurt (6:7). In allen anderen neun Spielen hätte – bei einer entsprechenden Chancenverwertung – Zählbares herausspringen können, vielleicht sogar müssen.

Klopp: „Wir kommen immer ordentlich rein. Wir vergeben dann aber richtig große Chancen. Die erste Möglichkeit des Gegners ist fast immer ein Tor. Das ist nicht zu erklären. Und schon nimmt das Ding wieder Fahrt auf. Das zu durchbrechen, ist eine große Herausforderung vor der wir stehen.“ Sven Bender erklärte: „Selbstzweifel sind fehl am Platz. Der Mut muss da sein. Es ist wichtig, dass wir die Geschichte immer noch mit ein bisschen Selbstvertrauen angehen. Wir können alle kicken, können alle kämpfen, wir müssen das auf den Platz bringen. Das ist das A und O.“
Felix Ulrich