Das Projekt mit dem schnörkellosen Titel "Erweiterung Trainingszentrum BVB" soll den Klub während der kommenden drei Jahre in Sachen Sport-Infrastruktur wieder an die nationale Spitze katapultieren. Dafür werden auf dem Hohenbuschei-Areal im engen Schulterschluss mit DSW21 bis zu 20 Millionen Euro investiert. Das Ergebnis soll gerade bei jungen Talenten einen klaren Impuls auslösen: HIER. WILL. ICH. SPIELEN!

Im Sommer 2018 war Borussia Dortmund eine Baustelle im übertragenen Sinn: Die Statik des Kaders war ein wenig ins Wanken geraten. Der Klub zog neue Stützen und tragende Pfeiler ein. Mit überwältigendem Erfolg. Längst steht das BVB- Gebäude mit Mannschaft, Trainerteam und sportlicher Leitung wieder auf meterdicken Betonpfählen. So stabil, dass Konkurrenz und Experten nicht schlecht staunen. Doch die Verantwortlichen haben Spaß am Bauen entwickelt. Und so starten sie gleich ins nächste Projekt. Diesmal ist es keines im übertragenen Sinn, sondern eine richtige Baustelle mit Baggern und Kränen, auf der Handwerker malochen und ähnlich viel Schweiß vergießen wie die Profis gleich nebenan auf dem Rasen.

Das schwarzgelbe Herz im Stadtteil Brackel 

Auf Hohenbuschei werden bis 2021 in mehreren Teilabschnitten das Trainingsgelände und das Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) weiter ausgebaut. Zudem wird die "Geschäftsstelle Sport" ganz neu errichtet. Das schwarzgelbe Herz pulsiert dann endgültig im Stadtteil Brackel. Bis zu 20 Millionen Euro kostet das Maßnahmenpaket, mit dem sich der BVB auch in Sachen Infrastruktur wieder an die nationale Spitze katapultieren wird. Die Verantwortlichen – ganz gleich, ob Hans-Joachim Watzke (Vorsitzender der Geschäftsführung), Sportdirektor Michael Zorc oder Nachwuchskoordinator Lars Ricken – können die Fertigstellung kaum abwarten. Sie werden in den nächsten drei Jahren viele Grundsteine legen und viele schwarzgelbgestreifte Schleifenbänder zur Einweihung durchschneiden.

Bild

Marcus Knipping ist beim BVB der Mann für die Zahlen. Nicht für Ballbesitzquoten und Passgenauigkeit, sondern für Geld. Zurzeit beschäftigt er sich neben dem Halbjahresabschluss der Saison 2018/2019 sowie dem DFL-Lizenzierungsverfahren für die Saison 2019/2020 intensiv mit den geplanten Neubaumaßnahmen und bearbeitet gemeinsam mit den SHA Scheffler Helbich Architekten aus Dortmund und der DSW21 Entwürfe mit Animationen, Visualisierungen und Bauanträge. Er schiebt im Geiste Schreibtische von links nach rechts, positioniert Sofas zum Relaxen in Räumen, die noch gar nicht errichtet sind. Und er lässt den Blick schon einmal aus den Bürofenstern im Staffelgeschoss der künftigen Geschäftsstelle Sport über die Trainingsplätze gleiten. Er genießt – virtuell, versteht sich – jenen Ausblick, den künftig dann Watzke, Zorc und Sebastian Kehl als Leiter der Lizenzspielerabteilung haben werden. Man merkt, wenn Marcus Knipping über das Projekt mit dem schnörkellosen Titel "Erweiterung Trainingszentrum BVB" und seine Teilabschnitte erzählt, wie viel Spaß er dabei hat. Und wie er sich darauf freut, die Lederschuhe demnächst öfter mal gegen Gummistiefel zu tauschen, um vor Ort nach dem Rechten zu sehen.

HIER - und nirgendwo sonst - WILL. ICH. SPIELEN! 

Seit Borussia Dortmund die existenzbedrohende Finanzkrise der Jahre 2004/05 überstanden hat und die drohende Insolvenz abwenden konnte, hat der Klub das Areal im engen Schulterschluss mit der zum Stadtwerke-Konzern gehörenden Hohenbuschei GmbH peu à peu entwickelt. "DSW21 war während dieser Zeit immer ein absolut verlässlicher Partner für uns – mit einer hohen Budgettreue und vor allem mit der Bereitschaft, sich von unserem Enthusiasmus anstecken zu lassen und die Idee gemeinsam immer weiter zu entwickeln", lobt Hans-Joachim Watzke. So ist es auch diesmal wieder, wenn es mit dem bislang umfangreichsten Maßnahmenpaket darum geht, den infrastrukturellen Anschluss an die europäische Spitze wiederherzustellen und im Idealfall deutschlandweit eine neue Benchmark zu setzen.

Bild

Auch neueste Erkenntnisse der Sportmedizin und der Trainingswissenschaft spielen bei den Überlegungen daher eine zentrale Rolle und fließen in die Baumaßnahmen mit ein. Denn, das muss man bei aller Begeisterung für die Pläne ehrlicherweise feststellen: War die Borussia mit ihrem Trainings- und Nachwuchsleistungszentrum vor Jahren noch beispielgebend, sind andere Klubs inzwischen ein Stück vorbeigezogen. Deshalb haben sich die BVB-Verantwortlichen auch umgeschaut, bevor sie sich an die jüngste Planung gesetzt haben – u.a. bei Manchester City. Der englische Meister gilt aktuell als Blaupause in Sachen Sport-Infrastruktur. Borussias Entscheider haben sich Ideen und Anregungen geholt, sich inspirieren lassen. Und Schlüsse gezogen. Dabei hatten sie stets nicht nur irgendwo im Hinterkopf, sondern fest im Fokus, dass in Hohenbuschei ideale Rahmenbedingungen entstehen sollen, um junge Talente bestmöglich zu entwickeln. Diese klare Strategie, für die der BVB inzwischen weltweit höchste Anerkennung genießt, ist der Treiber aller Anstrengungen. Das neue Trainingszentrum soll bei jungen Spielern einen klaren Impuls auslösen: HIER – und nirgendwo sonst – WILL. ICH. SPIELEN!

Gewaltiger Projektplan - Fertigstellung für März/April 2020 geplant 

Die Erweiterung des Jugendhauses ist ebenfalls ein wichtiger Eckpfeiler der Planungen. Hier finden in enger Abstimmung mit der Stadt Dortmund Gespräche darüber statt, wie eine Erweiterung des vorhandenen Gebäudes umsetzbar ist. Bisher mussten die Talente ausziehen, wenn sie dem Nachwuchsbereich entwachsen waren. Künftig möchte man ihnen die Möglichkeit bieten, noch weiter im NLZ zu wohnen und den Übergang in die Selbstständigkeit fließender und allmählicher zu gestalten. Eine Kantine, die die Nachwuchskicker und auch Mitarbeiter nutzen können, ist auf dem Gelände ebenfalls geplant.

Direkt neben dem Jugendhaus beginnen in wenigen Wochen die Arbeiten für die Geschäftsstelle Sport. Das dreistöckige Gebäude wird im Erdgeschoss einen Pressekonferenzraum mit Simultandolmetscher-Kabine und Interviewräumen beherbergen. In die erste Etage ziehen alle Nachwuchs-Trainerteams, Physiotherapeuten und der gesamte Staff. Auch die Leitungsebene um Lars Ricken und Edwin Boekamp werden hier ihre Büros haben. Die Raumkonzepte sind flexibel und modular, die Wände verschiebbar. So können kleinere Zimmer mit Mini-Aufwand zu Maxi-Räumen für Besprechungen oder Seminare umfunktioniert werden. Über dem Nachwuchs, in Etage 2, bezieht die Scouting-Abteilung ihr Quartier in einer "modernen Arbeitswelt", wie Knipping es nennt. Arbeitsplätze sind nicht zementiert, sondern mobil und flexibel. Der BVB plant Ruhe- und Relax-Zonen. Power-Napping ist ausdrücklich erwünscht. Ambitioniertes Arbeiten in Wohlfühl-Atmosphäre.

Bild

Ganz oben, im Staffelgeschoss mit vorgelagerten Dachterrassen, befinden sich – neben einem großen Konferenzraum, in dem künftig auch Gremien wie Aufsichts- und Wirtschaftsrat tagen können – die Büros der Entscheider. Zimmer mit Blick auf den Trainings-Kick. Hans-Joachim Watzke wird dann wohl noch häufiger zwischen der Klub-Zentrale am Rheinlanddamm und Hohenbuschei hin und her pendeln. Michael Zorc und Sebastian Kehl werden ganz sicher noch mehr Zeit in Brackel verbringen als an der B1. Denn dort sind sie fast so nah dran an Trainer Lucien Favre und seinem Team wie im Signal Iduna Park auf der Spielerbank. Sportliche Leitung quasi per Handzeichen und auf Zuruf. Allerdings erst zur Saison 2020/21, denn der gewaltige Projektmanagementplan von Marcus Knipping weist die geplante Fertigstellung für März/April 2020 aus.

Damit noch lange nicht genug: Neu gebaut wird auch das so genannte "Pförtnerhaus" – ein 40 x 10 m großer Riegelbau, der das Entree zum Trainingsgelände der Profis bildet. Die fahren künftig durch eine Schranke mit Nummernschilderkennung zur Arbeit. Post und Pakete werden nicht blindlings zugestellt, sondern zunächst vom "Team Sicherheit" gecheckt. Es geht Borussia Dortmund darum, die Spieler bestmöglich zu schützen – nicht darum, die Mannschaft gegen Öffentlichkeit und Medien abzuschirmen. Ganz im Gegenteil: Öffentliche Trainings wird es auch nach Abschluss der Erweiterungsmaßnahmen geben. Und die Arbeitsbedingungen für Medienvertreter verbessern sich massiv. So wird im Pförtnerhaus nicht nur ein Arbeitsraum für Journalisten eingerichtet, sondern auch eine Dachterrasse mit Blick auf die Trainingsplätze gebaut. Dort können die Bewegtbild-Kanäle ihre Kameras platzieren und Reporter die Einheiten von Lucien Favre verfolgen. Und: Für den hauseigenen Kanal BVB-TV richtet Borussia im neuen Gebäude ein komplettes Studio ein. Eröffnung gemäß Zeitplan: Januar 2020.

Schwimmbereich und "Tonnendachhalle" mit Kunstrasenplatz

Damit immer noch nicht genug: Erweitert wird auch das bereits bestehende Gebäude der U23. Dort wird zusätzlich ein Schwimmbereich entstehen, der vor allem die Reha-Möglichkeiten für Rekonvaleszenten optimieren soll. Die Infrastruktur für die sportmedizinische Abteilung und Physiotherapie wird deutlich verbessert. Die Profis, in deren Gebäude zudem gerade eine Ganzkörperkältetherapie-Kammer entsteht, wird diese neuen Einrichtungen mit nutzen. Das gilt auch für die so genannte "Tonnendachhalle" – ein Gebäude mit einem gewölbten, stützenfreien Dach, unter dem ein 45 x 64 Meter großes Kunstrasenspielfeld liegen wird. Die Höhe von zwölf Metern erlaubt es den Mannschaften – Nachwuchs wie Profis – zu allen Jahreszeiten und bei allen Witterungsbedingungen unter idealen Bedingungen sogar Standards zu trainieren. Darüber hinaus kann das Athletiktrainer-Team um Andreas Beck in der Halle witterungsgeschützt Sprinttrainings und Leistungsdiagnostik mit den Profis durchführen. Kabinen für die Gast-Mannschaften der Nachwuchsteams, Physiotherapie- und Lernräume runden das Raumkonzept ab. Geplante Fertigstellung der Halle: 2021.

Vor Borussia Dortmund liegen große Herausforderungen. Nicht nur sportlich. Ganz sicher wird Marcus Knipping seinen Projektmanagementplan noch einige Male aktualisieren und anpassen müssen. Ganz sicher werden sich Verschiebungen im Bauzeitenplan ergeben. Denn das ist der Unterschied zum Fußball: Eine Saison endet zu einem fixen Zeitpunkt mit einem Ergebnis, das niemand planen kann. Eine Baustelle endet mit einem geplanten Ergebnis – jedoch zu einem meist nicht ganz so fixen Zeitpunkt. Aber ehrlich gesagt: Angesichts von 110 Jahren Vereinsgeschichte kommt es auf zwei oder drei Monate mehr oder weniger nicht an. Was letztlich zählt, ist das Resultat. Und das wird Borussia Dortmund fit machen für die ambitionierten Zukunftsziele.

Text: Frank Fligge
Fotos: Alexandre Simoes
Visualisierungen: SHA Scheffler Helbich Architekten | V-CUBE