Seit fast einer Woche befindet sich die U23 des BVB im Trainingslager in den Kitzbüheler Alpen und schuftet für die neue Saison, die am 26. Juli gleich mit dem Knaller bei Rot-Weiß Essen startet. Im Interview spricht der neue Coach Mike Tullberg über junge Fußballer, seine Vorfreude auf die neue Saison und Fußball als Lebensgefühl.

Mike, das Trainingslager neigt sich dem Ende entgegen. Wie fällt dein Fazit der bisherigen Vorbereitung aus? 

Man hat die letzten Tage gemerkt, dass der eine oder andere keine frischen Beine hatte. Für mich war das Spiel gestern in der ersten Halbzeit in Ordnung, danach war aber zu merken, dass einige sehr, sehr müde waren. Entsprechend hatten wir nicht das Niveau, dass wir haben müssen, um in der Liga zu bestehen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir viele Spieler dabei haben, die in letzter Zeit wenig spielten. Steffen Tigges kam in Osnabrück, Lars Bünning in Bremen und Magnus Kaastrup in Aarhus nur selten zum Einsatz, Maximilian Hippe war fast ein Jahr verletzt. Wir haben die Belastung dosiert und das richtige Level finden müssen. Das haben wir gut hinbekommen. Wir haben keine größeren Verletzungen gehabt, obwohl wir wirklich ans Limit gegangen sind. Im taktischen Bereich haben wir auch das gemacht, was ich mir vorgestellt habe. In der ersten Halbzeit war das auch sehr gut zu beobachten. Generell bin ich sehr zufrieden mit den ersten zweieinhalb Wochen.

Wie ist der Stimmung im Team? 

Obwohl wir so viele neue Spieler integrieren mussten, haben sich die Jungs sehr schnell und sehr gut gefunden. Sie haben Spaß, auch außerhalb des Platzes. Am Mittwoch waren wir zusammen beim „Rafting“, danach musste jeder etwas singen. Das war ein toller Tag für alle.

Gestern gab es einen 2:1-Sieg bei Austria Salzburg. Bist du zufrieden mit den Tests?

Ich habe es ja gestern schon gesagt, die Chancenverwertung war in den Spielen gegen Aplerbeck und gestern nicht gut, da müssen wir einfach mehr Tore schießen. Davon abgesehen waren die Abläufe sehr gut, unsere Spielzüge passten. Das letzte Quäntchen Glück vor dem Tor fehlte. Unsere Defensive hat mich auch überzeugt, aber natürlich müssen wir noch weiter daran arbeiten. In der zweiten Halbzeit war die Mannschaft einfach sehr müde.

Du bist jetzt knapp zweieinhalb Wochen in Deutschland. Bist du gut beim BVB angekommen?

Der Umgang miteinander im Trainingszentrum ist phantastisch, seien es Spieler, Betreuer, der Hausmeister Paul oder die vielen Platzwarte. Man klatscht sich ab, spricht mal kurz, macht Späße. Das ist sehr, sehr sympathisch. Ich bin wirklich gerne auf der Anlage, das merken die anderen auch, weil ich bisher fast täglich zwölf Stunden da war (lacht). Obwohl der BVB ein sehr großer Verein ist, ist alles sehr Bodenständig, was ich hier erlebe. Die Leute im Umfeld sind wirklich super. Worüber man schon mal wirklich lachen kann, ist die Busfahrt. Da habe ich wirklich schlecht geschlafen, weil BVB-Fans ständig hupten, wenn sie den Bus gesehen haben. Man merkt natürlich auch daran, dass der BVB ein sehr großer Verein ist, aber ich kann das gut einschätzen und ich bin wirklich froh, hier zu sein. Ich bin wirklich stolz darauf, dieses Emblem tragen zu dürfen. Als kleiner Junge habe ich Marc Strudal und später Flemming Povlsen im BVB-Trikot gesehen und daher war mir der BVB immer sympathisch. Aber es ist immer noch Fußball, der Ball ist immer noch der gleiche, die Sprache ist vielleicht eine andere. Vorher habe ich in englischer Sprache gecoacht, jetzt auf deutsch.

Englisch ist also Amtssprache im dänischen Fußball? 

Ja, wir sind ein kleines Land und daher spielen viele Ausländer in Dänemark. Hier spielen überwiegend Spieler, die in Deutschland aufgewachsen sind und daher sprechen wir auch deutsch miteinander.

Der Auftakt hat es mit den Spielen bei Rot-Weiss Essen und zuhause gegen den Absteiger Lotte gleich in sich. Hättest du dir einen leichteren Aufgalopp gewünscht?

Im letzten Jahr habe ich mich in der dänischen Liga schon an große Kulissen gewöhnt. Ich freue mich riesig auf den Auftakt in Essen. Das ist ja ein Hammerspiel, auch für unsere Truppe. Die Jungs wollen sich alle beweisen, sie wollen alle höher spielen. Eine bessere Chance gibt es nicht, sich direkt vor vielen Zuschauern zu zeigen gegen einen Gegner, der sich gut verstärkt hat. Dazu kommen sicher viele BVB-Fans nach Essen und werden uns anfeuern. Auch das Spiel gegen Lotte wird sicher recht voll werden, wenn die Saisoneröffnung nebenan stattfindet.

Kann das eine Belastung für die Spieler sein, gleich zweimal vor vollem Haus zu spielen?

Also wenn mir ein Spieler sagt, dass sei eine Belastung, dann soll er mir das sagen. Jeder hat den Anspruch, höherklassig zu spielen. Ich glaube, das geht nicht nur mir so, wenn mehr Zuschauer da sind, hat man auch mehr Freude. Aber natürlich wird es auch die anderen Spiele, vor einer kleinen Kulisse geben. Der Fußball bleibt der gleiche, da müssen wir die gleiche Leistung abliefern. Jeder muss und wird sich auf die ersten beiden Spiele freuen, das merke ich auch in der Truppe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemand als Belastung empfindet.

Hast Du im Vorfeld schon gehört, dass der BVB über eine große Anhängerschar in der Regionalliga verfügt?

Ich habe das natürlich im Vorfeld gehört, mir das eine oder andere Video angesehen, auch von den Fans. Ich war in der letzten Saison auch schon ein paar Mal da und hab es da natürlich gesehen. Ich finde es wirklich toll, dass da bei einem Auswärtsspiel ein paar hundert BVB-Fans mitreisen und die U23 anfeuern. Das ist wirklich etwas ganz, ganz Besonderes. Ich weiß aber auch, dass es schwer ist, wenn die Profis zeitgleich spielen. Ich hoffe, dass der Verband da etwas mehr mitspielt, dass wir auch die Zuschauer bei uns haben können. Für die Jungs ist jeder Zuschauer Gold wert, das macht einfach mehr Spaß. Selbst wenn es mehr Druck macht, ist das gut für die Jungs. Das gehört dazu und daran müssen sie sich gewöhnen.

Was glaubst du, woran es liegt, dass so viele Fans auch zur U23 kommen?

Man merkt einfach, dass die Leute in Dortmund den Fußball leben. Wenn man sich mit den Menschen unterhält, die mit dem BVB verbunden sind, ist das für mich spürbar, dass das aus dem Herzen kommt. Ich habe das Gefühl, dass das etwas ganz, ganz Besonderes ist. Ich vergleiche das ein bisschen mit meiner Zeit in Italien bei Reggina Calcio. Da konnte ich nicht auf die Straße gehen, da wurde Fußball auch sehr gelebt, auch wenn es dort eine andere Kultur war. Ich würde fast sagen, dass Fußball hier wie eine Religion ist, Fußball wird in Dortmund gelebt. Und man merkt, dass die Menschen sich dann auch für die U23 interessieren, am Ende ist es der Verein, der zählt.

Was erwartest du von deiner Mannschaft in der kommenden Saison?

Es ist schwer einzuschätzen, weil wir viele Neuzugänge und eine sehr junge Mannschaft haben, wir sind nun einmal eine U23. Was ich von den Jungs erwarte ist, dass wir mutigen Fußball spielen. Wir haben Spieler, die gut Fußball spielen können. Wir müssen den Mut haben, diesen Fußball auch wirklich zu spielen. Das habe ich auch einige Male angesprochen, auch gestern, als ein wenig Druck war und wir nach dem Ausgleich etwas verunsichert waren. Ich möchte nicht sehen, dass wir dann Angst haben, Fußball zu spielen. Sich nicht frei läuft, sich nicht zutraut, den Ball zu haben. Es ist klar, wir sind eine U23-Mannschaft und wir haben den Anspruch jedes Spiel zu gewinnen. Das wird aber nicht passieren, wir müssen den Mut haben, Fußball zu spielen. Das ist für mich das Allerwichtigste.