Ein schlüssiges Hygienekonzept liegt vor, die Nachverfolgung ist gewährleistet. Und auch beim schwierigen Thema der An- und Abreise hat Borussia Dortmund einen klaren, durchdachten Plan. Doch die Fans müssen sich weiter gedulden. Der Heimspielstart gegen Borussia Mönchengladbach findet vor fast leeren Rängen statt.

Wenn am nächsten Wochenende die 58. Saison der Fußball-Bundesliga angepfiffen wird, die laut DFL-Chef Christian Seifert „anspruchsvollste und schwierigste Spielzeit des professionellen Fußballs in Deutschland“, werden nicht in allen neun Stadien die Tore für Zuschauer geschlossen sein. „Das ist ein mutiger, aber gleichzeitig wohlüberlegter Schritt“, kommentierte Hans-Joachim Watzke die Nachricht aus Sachsen, dass in Leipzig jeder knapp fünfte Platz belegt werden darf beim Heimspiel gegen Mainz 05. „8000 Zuschauer sind angesichts des differenzierten und von vielen Politikern gelobten Konzeptes, das vorliegt, aus meiner Sicht angemessen“, erläutert der Vorsitzende der BVB-Geschäftsführung. „In so einem großen Stadion ist unter freiem Himmel das Ansteckungsrisiko gering.“

Auch in Dortmund liegen die Pläne für eine Teilwiederzulassung von Zuschauern in der Schublade. Doch der SIGNAL IDUNA PARK erlebt ein weiteres Bundesligaspiel ohne Fans. „Was unsere Situation angeht, hat sich nichts geändert“, so Watzke: „Dazu müsste es zunächst ein entsprechendes Signal der Landesregierung geben, auch wenn das örtliche Gesundheitsamt zuständig ist.“

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann erklärte, warum die Situation von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich betrachtet werden muss. „Es ist ein Unterschied, ob wir in Sachsen sind, wo ein sehr niedriges Ansteckungsrisiko herrscht, oder ob wir in NRW sind, wo wir uns leider immer noch im Mittelfeld der Ansteckungsraten bewegen und in den großen Städten, wo die Bundesligisten ja zu Hause sind, zweistellige Tageszuwächse bei den Infektionen haben“, sagte Laumann Anfang des Monats den Ruhr Nachrichten. Der Minister sprach eine Arbeitsgruppe an, „die bis Ende Oktober eine Lösung finden will. Ich finde, daran sollten wir uns in NRW halten.“

„Es geht nur miteinander“, findet auch Watzke. Er sagt aber auch: „Die Sieben-Tage-Inzidenz in NRW geht immer weiter zurück. Ich denke, dass eine Teilzulassung von Zuschauern deutlich früher als erst im November möglich wäre. Solange wir mit der Zuschauerzahl im einstelligen Tausenderbereich bleiben, ist das im Freien aus meiner Sicht kein großes Risiko. Immer vorausgesetzt, das Bundesliga-Konzept wird umgesetzt. Und dass unsere Konzepte durchdacht sind und wir verantwortungsvoll mit der Situation umgehen, hat der Profifußball in den vergangenen Monaten allen Kritikern deutlich gezeigt. Niemand, das ist mir in der Diskussion ganz wichtig, will zum jetzigen Zeitpunkt halbvolle oder ausverkaufte Stadien.“

Es geht darum, sich langsam, in vorsichtigen, behutsamen Schritten, an eine Rückkehr von Fans heranzutasten. Sie könne „ein ganz wichtiges und sehr positives Zeichen sein“, so DFL-Chef Christian Seifert, „ein Zeichen, dass sich tausende Menschen sehr wohl an Hygieneregeln halten wollen und halten können. Die DFL hat immer betont, dass die Eindämmung des Coronavirus höchste Priorität haben muss. Sie respektiert daher selbstverständlich die Position der Gesundheitsminister.“ Seitens der Liga habe es „keine Forderungen auf den Zeitpunkt der Zulassung oder die Anzahl von Stadionzuschauern“ gegeben.

„Wir würden uns über die Chance, wieder vor Menschen spielen zu dürfen, unfassbar freuen!“

Bei Borussia Dortmund sind seit vielen Wochen zahlreiche Mitarbeiter damit beschäftigt, für verschiedene Szenarien die entsprechende Umsetzung zu planen. „Wir sind auf alles vorbereitet. Ob mit 300 Zuschauern, ob mit 1000, mit 8000 oder mit 15.000 – wir sind in der Lage, dynamisch auf jedwede Situation einzugehen. Wir haben uns extrem professionell damit auseinandergesetzt und wir würden uns über die Chance, wieder vor Menschen spielen zu dürfen, unfassbar freuen, weil es für uns alle ein Schritt Richtung Normalität wäre, und weil es für alle Menschen, die für unseren Verein arbeiten, einen Hoffnungsschimmer darstellen würde“, erklärt Geschäftsführer Carsten Cramer.

Immerhin 260 von ihnen sind am Samstag im Stadion live dabei und sehen ihr erstes BVB-Heimspiel seit dem 29. Februar. Mit den offiziellen Delegationen beider Klubs addieren sie sich zu jenen 300 Zuschauern, die die Coronaschutzverordnung NRW erlaubt. Sie sitzen mit dem gebotenen Abstand.

Dr. Christian Hockenjos ist federführend mit der Entwicklung des Gesamtkonzepts und mit der Abstimmung mit den Behörden betraut. Mit dem Gesundheitsamt und auch mit dem Ordnungsamt ist Borussia Dortmunds Direktor für Organisation im ständigen Austausch. Das vorgelegte Konzept findet dort Anklang. So denn die Landesregierung grundsätzlich grünes Licht für Zuschauer gibt würden behördlich unterschiedliche Auslastungsgrade in Abhängigkeit der jüngsten Infektionszahlen erwogen. Unabhängig davon würde Borussia Dortmund beim ersten Heimspiel mit Zuschauern ohnehin nicht in den fünfstelligen Bereich gehen wollen.

„Über 10.000 Parkplätze, ein riesiges Stadion, 70 Drehkreuze, Abstand, Masken, wer kommt und wer geht wann: Unser Konzept steht!“, sagt Hockenjos. Die Anreise soll möglichst zu Fuß oder per PKW erfolgen. Und auf die, die auf Busse oder Stadtbahnen angewiesen sind, hätte DSW 21 an den Stationen ein waches Auge: Busse oder Bahnen sollen nur halbvoll sein. Um die Abstände zu wahren, wäre zudem nur jedes zweite Drehkreuz am Stadioneingang in Betrieb. Auf den Rängen wären große Lücken sichtbar bei einer Belegung von nur jedem sechsten Sitzplatz. Und: Jeder Sitz wäre zudem einem festen Eingang zugeordnet. Feste „Time-Slots“, viertelstündige Zeitfenster, in denen der Stadionbesucher am Eingang sein müsste (oder deutlich früher), würden für weitere Entzerrung sorgen. Prof. Klaus-Dieter Zastrow vom Hygiene-Institut Berlin sagte der BILD-Zeitung: „Man muss sich irgendwann ja auch mal was trauen. Und man könnte ja auch nach dem ersten aus dem Ruder gelaufenen Spiel sofort den Riegel wieder zumachen. Das wäre eine klare Ansage für die Vereine und die Fans: Wenn Ihr uns weiter sehen wollt, dann verhaltet Euch bitte so, wie wir es vereinbart haben. Ich würde es in jedem Fall probieren.“

In manchen Stadien wird es probiert. „Wir freuen uns, dass es Stand heute Möglichkeiten für Vereine gibt, wieder vor Zuschauern zu spielen. Jeder noch so kleine Schritt zurück in die Normalität ist ein wichtiger, macht er doch Mut und stimmt zuversichtlich“, erklärt Carsten Cramer und fügt hinzu: „Da sollten wir nicht neidisch, sondern glücklich sein, dass es diese Schritte gibt, weil es am Ende nur eine Frage der Zeit sein kann, wann es uns auch wieder möglich sein kann...“
Boris Rupert