Welche Erfahrungen liegen bei Fußballklubs der Bundesliga und 2. Bundesliga in Bezug auf Antisemitismus vor? Wie erkenne ich als Verantwortlicher Antisemitismus? Und welche Projekte und Initiativen anderer Klubs gibt es bereits? Unter anderem diesen Fragen war der Fachtag „Antisemitismus und Profifußball: Herausforderungen, Chancen, Netzwerk“ mit mehr als 100 Teilnehmenden am Mittwoch im SIGNAL IDUNA PARK gewidmet.

Durch die gemeinsame Ausrichtung der Konferenz kooperierten die Deutsche Fußball Liga (DFL), der World Jewish Congress (WJC) und der Zentralrat der Juden in Deutschland erstmals bei der Bekämpfung von Antisemitismus innerhalb und außerhalb des Sports.

An dem ganztägigen Fachtag, dessen erste Stunden live gestreamt und in vielen Ländern verfolgt wurden, nahmen Vertreterinnen und Vertreter von Klubs der Bundesliga und 2. Bundesliga, jüdischen Organisationen und Gemeinden sowie weitere Expertinnen und Experten teil.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Josef Schuster, betonte: „Die Vereine der Fußball-Bundesliga haben schon seit langem das Problem erkannt. Es gibt eine Fülle von Initiativen, vor allem für die Erinnerung an Sportler, die in der Nazi-Zeit ausgeschlossen wurden oder in der Schoa ermordet wurden. Mit unserem heutigen Fachtag schlagen wir eine weitere Richtung ein: stärker in die Gegenwart.“

Ähnlich äußerte sich Maram Stern, Vizepräsident des World Jewish Congress: „Der Kampf gegen den Antisemitismus in der Gesellschaft wird nicht durch Worte der Politik entschieden, sondern durch Taten und tägliche und nachhaltige Arbeit in allen Teilen der Gesellschaft.“

Ansgar Schwenken, Mitglied der DFL-Geschäftsleitung, erklärte: „Die Beschäftigung mit dem Thema Antisemitismus ist ein stetiger Prozess, der keinen Abschluss findet, weil man irgendwann vermeintlich genug weiß oder sich genug mit dem Thema beschäftigt hat. Der heutige Fachtag ist deshalb genau der richtige Weg, um den Herausforderungen gemeinsam zu begegnen.“

Von Seiten der Bundesregierung sprachen der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben, Dr. Felix Klein, sowie der Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin für Inneres und Heimat, Mahmut Özdemir.

Özdemir unterstrich in seinem Grußwort: „Antisemitismus ist leider auch im Sport ein allgegenwärtiges Problem. Nur mit gemeinsamen Kräften wird es gelingen, dagegen vorzugehen. Der Profifußball, der World Jewish Congress und der Zentralrat der Juden setzen mit dieser Veranstaltung daher ein unmissverständliches Zeichen.“

Dr. Felix Klein verwies auf die Bedeutung des Sports für das Miteinander: „Jüdisches Leben ist wunderbar vielfältig. I n allen Lebensbereichen gibt es Jüdisches zu entdecken, und dabei viel mehr Verbindendes als Fremdes. In den Mannschaften von Makkabi spielen zum Beispiel nicht nur Juden, sondern – wie in anderen Vereinen auch – ebenso muslimische und andere nicht-jüdische Menschen. Hier wird die verbindende Kraft des Sportes besonders deutlich!“

Der Fachtag folgte dem bereits bestehenden Engagement von Klubs und DFL mit zahlreichen Erinnerungsprojekten und historisch-politischer Bildungsarbeit. Im vergangenen Jahr hatte die DFL-Mitgliederversammlung mit den 36 Clubs der Bundesliga und 2. Bundesliga einstimmig entschieden, die Antisemitismus-Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) zu übernehmen und sich damit deutlich und unmissverständlich gegen jede Erscheinungsform von Antisemitismus zu positionieren.

Im Anschluss an die Grußworte folgten drei Keynotes. Die Literaturwissenschaftlerin Dr. Yael Kupferberg thematisierte Kontinuitäten und mögliche Zeitenwenden, die der Antisemitismus in Deutschland seit 1945 erfahren habe. Der Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, Daniel Botmann, zeigte die gesellschaftlichen und politischen Dimensionen der Antisemitismus-Erfahrung und -Bekämpfung auf. Abschließend griff der Antisemitismusforscher Pavel Brunssen das Gesagte auf und stellte die Bezüge zum Fußball heraus.

Am Nachmittag wurde der Fachtag mit Workshops in verschiedenen Arbeitsgruppen fortgesetzt.

Hans-Joachim Watzke, Vorsitzender der BVB-Geschäftsführung, betonte die Wichtigkeit der Veranstaltung und den gemeinsamen Kampf gegen Antisemitismus: "Für Borussia Dortmund ist dieses Engagement eine Herzensangelegenheit. Wir haben eine klare Haltung. Es ist Teil unserer DNA, dass wir uns sowohl gegen Rassismus als auch gegen Antisemitismus einsetzen. Das machen wir hier in Dortmund und durch unsere Aktionen in Yad Vashem zum Beispiel auch in Israel. Mit der Strahlkraft des Fußballs können und wollen wir Millionen von Menschen für diese Themen sensibilisieren. Wir sind froh, dass wir das gemeinsam mit der DFL, dem Zentralrat der Juden in Deutschland und dem World Jewish Congress tun."

BVB-Geschäftsführer Carsten Cramer thematisierte in der Eröffnungsrede, wie wichtig eine feste Verankerung der Arbeit gegen Antisemitismus im deutschen Fußball sein wird. „Dieser Kampf“, so Cramer, dürfe eben „keine einmalige Sache bleiben. Es geht um Beständigkeit und um eine ernsthafte, langfristige und vor allem nachhaltige Auseinandersetzung mit dem Thema. Es geht darum, Antisemitismus schon in seinen Anfängen zu erkennen und ihn klar zu benennen, denn nur durch eine glaubwürdige Aufarbeitung und Beschäftigung damit können wir unseren gesellschaftlichen Einfluss geltend machen. Und vor allem etwas in den Köpfen der Menschen bewegen und auslösen.“