„BVB für Amateure“ – so lautete der Titel eines Wettbewerbes, den Borussia Dortmund im Herbst 2017 ausgelobt hat. Fußball-Klubs aus Westfalen konnten sich mit konkreten Projektanträgen um Fördermittel aus einem mit 215.000 Euro gefüllten Topf bewerben. Elf Vereine erhielten schließlich Beträge zwischen 2.500 und 42.000 Euro. Das meiste Geld ist längst verbaut. So etwa beim SV Hüsten 09 im Hochsauerland. Am Beispiel des FSV Witten 07/82 wird allerdings auch deutlich, dass es manchmal gar nicht so einfach ist, Geld loszuwerden und auszugeben. Die Planungen in unserer Nachbarstadt liegen auf Eis. Und das liegt nicht am Verein...

Offenbar hat sich da ein pfiffiger Mensch mit ausgeprägter Sprachbegabung mal so richtig Gedanken gemacht. Denn einen treffenderen und zugleich ursprünglicheren Namen als diesen kann ein Fußballstadion im Grunde ja gar nicht haben: Große Wiese! Das klingt ein bisschen wie die erste Spielstätte von Borussia Dortmund, die Weiße Wiese. Es klingt vor allem aber nach Fußball-Romantik. Große Wiese – dieser Stadionname riecht nach frisch gemähtem Gras.

Während die Große Wiese längst leuchtet...

Und tatsächlich hat das Spielfeld, ganz exakt ist die Große Wiese 105 x 68 Meter groß, schon eine Menge erlebt. Viel Amateurfußball vor allem, denn das Stadion im Arnsberger Ortsteil Hüsten, umgeben von den dicht bewaldeten Hügeln des Hochsauerlandes, ist die Heimspielstätte des SV Hüsten. Der Klub wurde, wie der BVB, 1909 gegründet, seine Vereinsfarben allerdings sind nicht Schwarzgelb, sondern Schwarz-Weiß-Grün. Und auf der Großen Wiese spielt der Landesligist auch erst seit Ende der 1970-er Jahre. Doch nicht nur er. Auch Borussia Dortmund, der FC Bayern München, der FC Schalke 04, Ajax Amsterdam und Besiktas Istanbul haben hier in der Vergangenheit immer wieder Freundschaftsspiele, Nachwuchs-Teams des DFB und die Frauen-Nationalmannschaft haben hier Länderspiele bestritten.

Der BVB war zum Beispiel im Juli 2011 als frischgebackener Meister zu Gast in Hüsten. Mehr als 7.000 Zuschauer sahen ein 7:0. Eine tolle Kulisse – und doch war das weite Rund nur wenig mehr als halb gefüllt. Rund 13.000 Zuschauer und damit rund 3.500 mehr als heute in der Roten Erde an der Strobelallee zugelassen sind, fasst das Stadion Große Wiese. Es hat eine große Tribüne mit 2.650 überdachten Sitzplätzen und insgesamt rund 10.000 „Steher“.

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Allerdings: Die Große Wiese war gehörig in die Jahre gekommen, als sich der Vorstand mit einem Projektantrag an der Aktion „BVB für Amateure“ beteiligte. Vor allem die Flutlichtanlage lieferte nur noch Schummerlicht. Ein Strahler nach dem anderen fiel aus. Mit ärgerlichen Konsequenzen: So konnte das Freundschaftsspiel zwischen dem MSV Duisburg und dem Premier-League-Klub Norwich City nicht in Hüsten stattfinden, weil die diffuse Beleuchtung für die vom britischen Fernsehen geplante TV-Übertragung nicht annähernd ausreichte. Auch der Deutsche Fußball-Bund ließ den SV Hüsten und die Stadt Arnsberg wissen: Mit Nachwuchs-Länderspielen werde das unter diesen Rahmenbedingungen nichts mehr. Dabei hatten sich Verein und Stadt doch gerade erst um zwei Qualifikationsspiele zur U19-EM 2018 beworben...

Und so kam die Förderzusage durch den BVB genau zur richtigen Zeit, sagt Vorsitzender Rainer Müller. 20.500 Euro musste der SV Hüsten 09 aufbringen. Den Materialanteil für die neue Flutlichtanlage. Die Montagekosten, wie auch die Kosten für die Modernisierung der Kabinen und die Sanierung der Stadionanlage, hat die Stadt Arnsberg übernommen. Mit den 18.000 Euro, die Borussia Dortmund überwiesen hat, war der Eigenanteil fast gedeckt – die Differenz kam durch den Erlös aus einem Sponsorenlauf in die Kasse. Und so konnten im März 2018 an einem Tag die Qualifikations-Begegnungen zwischen Deutschland und Norwegen sowie zwischen den Niederlanden und Schottland doch noch stattfinden.

„Wir hätten die Flutlichtanlage so oder so modernisieren müssen“, sagt Rainer Müller, 1. Vorsitzender des SV Hüsten 09. Ohne die Unterstützung des BVB wäre es aber ein kolossaler Kraftakt geworden. Die Förderung sorgte dafür, dass sehr viel weniger Menschen im Verein schlaflose Nächte hatten. „Wir können uns nur aus tiefsten Herzen bei Borussia Dortmund bedanken“, sagt Müller. Am liebsten würde er das natürlich mit einer Einladung zu einem Freundschaftsspiel tun. „Den BVB mal wieder hier zu Gast zu haben, wäre ganz groß“, sagt er. Bis dahin nutzt sein Verein die neue, helle Flutlichtanlage selbst intensiv und verlegt attraktive Landesliga-Duelle gerne mal auf den Freitagabend, um der Bundesliga aus dem Weg zu gehen.

... wartet Witten auf seinen Kunstrasen 

Während sie also im Hochsauerland das Geld aus der Aktion „BVB für Amateure“ längst verbaut haben, warten die Verantwortlichen des FSV Witten 07/32 noch immer auf eine Entscheidung der Stadt. Und warten. Und warten. Und warten. Mit 35.000 Euro bekam der Verein die zweitgrößte Einzelsumme zugesprochen. In früheren Zeiten wären inzwischen wahrscheinlich schon 36.000 oder 37.000 Euro daraus geworden. Damals, als man noch Zinsen gutgeschrieben bekam. Heute ist Schimmel das einzige, was die Scheine ansetzen.

Das Problem des FSV Witten 07/32, der in unmittelbarer Nachbarschaft zum Wullenstadion einen Kleinfeld-Trainingsplatz für seine Nachwuchsteams bauen möchte: Bis heute liegt keine Baugenehmigung der Stadt Witten vor. Dabei ist die Situation vertrackt. Der FSV macht eine hoch engagierte Nachwuchsarbeit. „Wir haben alle Jahrgänge mit zwei Teams besetzt“, berichtet Johannes Leonard Gabriel, Sportlicher Leiter der Jugendabteilung. „In der C-Jugend sind es aktuell sogar drei Mannschaften.“ In Summe kommen so 16 bis 17 Mannschaften zusammen. Die Trainingskapazitäten muss sich der Klub jedoch mit dem VfB Annen teilen. Und zwar fifty-fifty. Dass der FSV viel mehr Teams gemeldet hat, spielt dabei keine Rolle.  „Bisweilen bleibt uns gar nichts anderes übrig, als mit drei Mannschaften parallel zu trainieren. Dann sind 60 bis 70 Kinder gleichzeitig auf dem Platz.“ Was nicht nur unter sportlichen Aspekten suboptimal, sondern obendrein gefährlich ist.

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Auch die Stadt Witten hatte unterdessen erkannt, dass offenbar der Bedarf sogar für ein zusätzliches Großspielfeld vorhanden ist. Sie diskutierte und prüfte, den Aschenplatz neben dem Wullenstadion mit Kunstrasen zu belegen. Dann diskutierte und prüfte sie, dort lieber einer neue Rettungszentrale der Feuerwehr zu bauen. Die Rettungszentrale gewann. Und der FSV Witten 07/32, der ja eigentlich nur ein Kleinfeld bauen möchte, ist – eineinhalb Jahre nachdem in Hüsten die neue Flutlichtanlage, errichtet mit BVB-Fördergeldern, in Betrieb genommen wurde – noch immer keinen Schritt weiter. „Das Konzept steht. Kostenvoranschläge sind eingeholt. Gespräche mit weiteren Unterstützern laufen vielversprechend“, sagt Johannes Leonhard Gabriel.

Er gibt die Hoffnung nicht auf, dass die Stadt Witten irgendwann in den nächsten Wochen „grünes Licht“ für die Realisierung der Pläne gibt. Und Borussia Dortmund die versprochenen 35.000 Euro endlich los wird.
Frank Fligge