Borussia Dortmund spielt eine starke Rückrunde mit zehn Siegen aus zwölf Spielen. Da die Münchner Bayern aber eine noch stärkere Rückrunde spielen, 34 von 36 möglichen Punkten eingefahren haben, ist seit Dienstag vergangener Woche, seit dem direkten Duell, mehr als nur eine Vorentscheidung gefallen im Rennen um die Meisterschaft, auch wenn Manuel Akanji nach dem 6:1 in Paderborn anmerkte, dass es „mathematisch noch möglich“ sei.

Die sich daraus ergebende Motivation, so viele Punkte wie noch möglich einzufahren, bescherte am Pfingstsonntag einen der höchsten Auswärtssiege der Klubgeschichte. Nie stand ein höheres Ergebnis als ein 1:6 bei einem BVB-Gastspiel auf der gegnerischen Anzeigetafel. „Wir wollen jedes Spiel gewinnen“, betonte Akanji. Fünf Partien sind noch zu absolvieren: die Heimspiele gegen Hertha BSC, Mainz 05 und die TSG Hoffenheim, Auswärtsspiele in Düsseldorf sowie am vorletzten Spieltag in Leipzig, einem direkten Konkurrenten im Kampf um die Plätze zwei bis vier. Der BVB geht mit einem Polster von (mindestens) vier Punkten in diese finalen fünf Spieltage (Leipzig spielt erst heute Abend, am Pfingstmontag, in Köln).

Der Vereinsrekord wird fallen

Nach einer deutlichen Leistungssteigerung (Lucien Favre: „Unsere erste Halbzeit war nicht toll, sie war aber auch nicht schwach“) schoss die Mannschaft sechs Tore und bejubelte zum 14. Mal (!) in dieser Saison drei oder mehr Treffer in einem Spiel. 80 Tore nach 29 Spieltagen sind so viele wie nie zuvor. Der Vereinsrekord aus der Saison 2015/16 mit 82 Treffern wird ganz sicher überboten.

Dies geht nicht zu Lasten der defensiven Stabilität. Elf Gegentreffer in zwölf Rückrundenpartien bedeuten immerhin den drittbesten Wert aller 18 Klubs im Kalenderjahr 2020. Die im November 2019 vorgenommene Systemänderung hin zu einer 3-4-3-Grundordnung (oder 3-5-2) ist das taktische Gewand, das offenbar am besten zur Mannschaft passt. In bisher 16 Partien holte sie 40 der 48 möglichen Punkte (13 Siege, ein Unentschieden, zwei Niederlagen).

Paderborn machte die Mitte zu, Borussia kam über Außen

„Wir hatten schon in der ersten Hälfte zwei, drei große Möglichkeiten, die wir leider nicht genutzt haben“, sagte Lucien Favre über den Spielverlauf am Sonntagabend: „Aber wir sind ruhig geblieben, haben weiter mit großem Pressing gespielt, unsere Chancen kreiert und unsere Tore gemacht.“

Ein kleiner Kniff brachte die entscheidenden Vorteile. „Wir haben ein bisschen das System verändert“, verriet Manuel Akanji, so „dass es nicht mehr so zentral war, dass wir mehr über die Flügel kommen.“ Während Paderborns Trainer Steffen Baumgart sein Team anwies, „die Mitte zuzumachen, hatten wir mit unseren schnellen Spielern außen gute Waffen“, erklärte Roman Bürki. Zudem baute der bis dahin starke Kontrahent körperlich ab, und Borussia nutzte die Räume auf den Flügeln. Favre: „Wir haben Paderborn müde gemacht. Der Gegner konnte das Tempo in der zweiten Halbzeit nicht halten.“

Sanchos Bestmarken und Schmelzers Premiere

Dreimal Jadon Sancho, nun historisch der jüngste Bundesligaspieler mit 30 Toren und zugleich der erste Borusse mit 34 Scorer-Punkten (17 Tore, 17 Vorlagen), sowie Achraf Hakimi, Thorgan Hazard und Marcel Schmelzer erzielten die – überwiegend herrlich herausgespielten – Treffer. „Er hat zwar nur kurz gespielt, aber mit einem Tor und einem Assist bin ich natürlich sehr zufrieden“, kommentierte Favre die Leistung des eingewechselten Ex-Kapitäns und fügte erklärend hinzu: „Er war leider seit Wochen und Monaten mehrmals unnötig verletzt. Jetzt ist er seit drei, vier Wochen im Training.“ Mit 32 Jahren gelang Schmelzer eine Premiere: Im 365. Profi-Einsatz war er erstmals an zwei Treffern in einem Spiel direkt beteiligt.
Boris Rupert