Der BVB ist auf der Zielgeraden der Saison 2018/19 sein eigenes Vorbild: Fünfmal sprang der Zweite am 34. Spieltag noch auf Platz eins – darunter Borussia Dortmund im Spieljahr 1994/95.

Der Pokalsieg 1989 hatte am Borsigplatz eine neue Ära begründet. Der 1991 verpflichtete Trainer Ottmar Hitzfeld führte die Mannschaft schon im Jahr darauf fast zur Meisterschaft. In einem der dramatischsten Titelrennen der Bundesligageschichte hatte der von Platz drei (!) in diesen letzten Spieltag gestartete BVB bis etwa 17.10 Uhr tatsächlich eine Hand an der Schale, ehe Guido Buchwald in der 86. Spielminute das 2:1 für den VfB Stuttgart im Auswärtsspiel gegen Bayer Leverkusen erzielte und die Schwaben aufgrund der besseren Tordifferenz gegenüber Borussia Dortmund auf Platz eins schoss.

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Drei Jahre später machte es der BVB dem VfB nach, schaffte es als einer von fünf Klubs in nun 56 Jahren Bundesliga, an einem letzten Spieltag von Platz zwei auf eins zu springen. Und Parallelen zur laufenden Spielzeit sind nicht von der Hand zu weisen...

Auch hier ein Raketenstart der Dortmunder mit drei Siegen (damals sogar innerhalb von sieben Tagen), auch hier ein deutlicher Vorsprung zu Beginn der Rückrunde von – umgerechnet auf die heutige Zählweise – sechs Punkten auf den stärksten Konkurrenten, auch hier dann eine Auswärts-Niederlage im direkten Duell, die den Verlust der Tabellenführung zur Folge hatte (29. Spieltag), dazu riesiges Verletzungspech, dem die drei Top-Angreifer Stéphane Chapuisat, Karl-Heinz Riedle und Flemming Povlsen gleichzeitig zum Opfer fielen, und doch bis zum Schluss der Glaube an das große Ganze.

Dabei stand Werder Bremen nach 51 Minuten des 33. Spieltages ganz dicht vor dem vorzeitigen Gewinn der Meisterschaft: Borussia lag in Duisburg kurz nach der Pause mit 0:2 hinten, drehte das Ding aber noch und gewann mit 3:2. Entscheidung vertagt. „Wir waren fast abgeschrieben und haben schwierige Zeiten hinter uns. Aber wie es scheint, sind wir zur richtigen Zeit wieder in Form gekommen“, sagte Trainer Ottmar Hitzfeld vor dem Finale.

Seine Mannschaft musste mit zwei Toren Unterschied gegen den Hamburger SV gewinnen, dann hätte ein Remis von Werder in München zum Titel gereicht. Durch ein wunderschönes und freches Freistoßtor von Andy Möller sowie einen Treffer des damals erst 18 Jahre jungen Lars Ricken stand es schon nach 28 gespielten Minuten 2:0 für den BVB. Hitzfelds Elf brachte das Ergebnis ins Ziel, Bremen hoffte nach Baslers 1:1 beim FC Bayern (37. Minute) kurz auf den Coup, doch ein Doppelpack von Alexander Zickler (41./78.) entschied die Meisterschaft endgültig zugunsten von Borussia Dortmund.

Der Zweite hatte den Ersten am letzten Spieltag überholt.

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Ähnlich dramatisch verlief die Saison 2001/2002, hier allerdings mit einem Wechsel an der Tabellenspitze am 33. Spieltag. Ähnlich allerdings der Saisonverlauf: Marcio Amoroso, Jan Koller und der nachverpflichtete Ewerthon schossen, in Szene gesetzt vom genialen Regisseur Tomas Rosicky, die Liga an den ersten vier Spieltagen der Saison 2001/2002 in Grund und Boden. 2:0, 2:0, 4:0 und 2:0 lauteten die Ergebnisse. Doch es gab Rückschläge, unter anderem in Form eines 0:4 bei Bayer Leverkusen am 24. Spieltag und einem gleichzeitigen Wechsel an der Tabellenspitze.

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Am 31. Spieltag, nach einem 0:1 beim 1. FC Kaiserslautern und nun fünf Punkten Rückstand auf Leverkusen, schien alles vorbei. „Bye, bye, Borussia“, titelte der kicker. Die Klubführung gratulierte Bayer zum Titel, und Trainer Matthias Sammer konstatierte: „Im Fußball ist zwar alles möglich, aber wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, Platz zwei zu verteidigen.“ Zwei Spieltage später, nach Leverkusens 1:2 gegen Bremen und einem 0:1 in Nürnberg, war der BVB wieder Tabellenführer durch Siege gegen Köln sowie beim HSV (4:3) und feierte nach einem zittrigen 2:1 gegen Werder Bremen die sechste Deutsche Meisterschaft.

Der Zweite hatte den Ersten am vorletzten Spieltag überholt.
Boris Rupert