Wenn Borussia Dortmund am dritten Tag des Jahres 2021 gegen den VfL Wolfsburg antritt, ist dies ein ungewöhnliches, aber kein einmaliges Datum in der Vereinsgeschichte. Früher wurde zum Jahreswechsel auch mal durchgespielt. Mit einem Heimspiel gegen Borussia Neunkirchen eröffnete der BVB am 2. Januar 1965 das neue Fußballjahr.

Die Bundesliga steckte im Winter 1964/65 noch in den Kinderschuhen. Es war die zweite Saison nach ihrer Einführung im Sommer 1963. Borussia Dortmund hatte das Premierenjahr auf Platz vier beendet und war nun, nach einer 0:2-Niederlage bei Hannover 96 kurz vor Weihnachten, auf den achten Tabellenplatz zurückgefallen. Eine ausgeglichene Bilanz von 16:16 Punkten zeugte davon, dass es noch nicht rund lief beim Meister von 1963.

Am 2. Weihnachtstag des Jahres 1964 war der Winter ins Ruhrgebiet gekommen, die Schneedecke am 30. Dezember 14 Zentimeter dick (Quelle: kachelmannwetter.de). Doch dann setzte Tauwetter ein, so dass die Borussen am 2. Januar 1965 gegen Borussia Neunkirchen nicht auf schneebedecktem Rasen antreten mussten. Dafür war das Geläuf tief, und entsprechend schwer lief der Ball im Heimspiel gegen den Drittletzten aus dem Saarland (13:19 Punkte), der nach einer Viertelstunde dicht vor Führungstreffer stand. Doch Theo Redder klärte einen Kopfball auf der Linie.

Vor 15.000 Zuschauern taten sich die Borussen zunächst schwer. Erst ist in der 29. Minute fiel das 1:0 – mit einigem Anlauf. Zunächst scheiterten Aki Schmidt und Franz Brungs mit ihren Schüssen an Neukirchens Schlussmann Horst Kirsch, ehe Timo Konietzka zum 1:0 abstaubte. Nach dem Seitenwechsel gewann die Partie an Tempo. „Die zweite Halbzeit, die unter Flutlicht ausgetragen werden musste, ließ schon mit dem Anstoß eine neue Einstellung erkennen“, hieß es im Spielbericht des kicker. Und weiter: „Endlich kamen die langen Pässe in den Rücken der gegnerischen Deckung und damit die große Zeit von Emmerich und Wosab, die vorher in ihrem eigenen Schatten standen.“

 

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Kopfballduell im Schneetreiben: Lothar Emmerich und Neunkirchens Abwehrspieler Erich Leist begegnen sich am 15. Januar 1966 beim Gastspiel der Borussen im Saarland. Von der Partie am 2.1.1965 in der Roten Erde gibt es leider keine Bilder. (Foto: imago images)

Drei Minuten nach Wiederanpfiff drückte Schmidt eine Hereingabe von Konietzka zum 2:0 über die Linie. Doch nur wenig später spielte Bernd Wessel, der für den verletzten Hans Tilkowski zwischen den Pfosten stand, einen Abstoß in die Füße von Neunkirchens Horst Berg, der den BVB-Keeper umkurvte und zum Abschlusstreffer einschoss (55.).

„Borussias Sieg darf nicht überbewertet werden“, übermittelte der kicker seiner Leserschaft: „Das BVB-Spiel bekam erst Glanz mit dem 3:1 nach glänzender Vorarbeit von Willi Sturm, der sein Herz in beide Hände genommen hatte und einen Sturmlauf über 50 Meter startete, den Wosab im Nachschuss mit dem 3:1 krönte. Jetzt ließ Borussia Erinnerungen an bessere Tage aufblitzen, jetzt funkte es im Angriff. Der Ball lief zeitweilig wie an der Schnur gezogen. Bei einem weniger guten Torwart als Kirsch hätten es mehr Treffer werden können. Aber bedenklich stimmt, dass die Dortmunder erst einen Vorsprung von mindestens zwei Toren benötigten, um Sicherheit auszustrahlen.“ Wosab (84.) und Konietzka (86.) erzielten die Tore vier und fünf, und Trainer Hermann Eppenhoff stellte fest: „Ich bin nur mit dem Ergebnis und den letzten 15 Minuten zufrieden. Meiner Mannschaft fehlt das Selbstvertrauen.“

Das kam mit der Zeit zurück. Borussia spielte eine gute Rückrunde (neun Siege, zwei Unentschieden, vier Niederlagen; nur Meister Werder Bremen holte einen Punkt mehr), beendete die Saison auf Rang drei, gewann am 22. Mai 1965 mit einem 2:0 über Alemannia Aachen den DFB-Pokal – und im Jahr darauf den Europapokal der Pokalsieger.
Boris Rupert