„Ich fühle ab und an noch wie ein Spieler, aber ich denke wie ein Manager.“ Sebastian Kehl (42) hat mit dem Wechsel auf den Posten des Sportdirektors einige Veränderungen angestoßen. Er benutzt häufig das Wort „Leistungskultur“. Was er plant, wie er denkt – und wie die schlimme Erkrankung Sébastien Hallers den Verein getroffen hat, erklärt der frühere Kapitän im Interview. 

Was muss am Ende der Saison 2022/23 erreicht sein, damit Du sagst: „Mein erstes Jahr als BVB-Sportdirektor war ein gutes!“? 
Viele Menschen würden eine solche Antwort rein vom sportlichen Erfolg abhängig machen, und selbstverständlich gilt, dass sich Borussia Dortmund – und das ist auch mein großer Anspruch – immer für die Champions League qualifizieren und um Titel spielen möchte. Wir haben in diesem Jahr aber auch einige andere Aufgaben und möchten als Gruppe an verschiedenen Herausforderungen gemeinsam arbeiten. Es wäre zum Beispiel schön, wenn wir in zwölf Monaten sagen könnten: Das, was wir im vergangenen Jahr angestoßen haben, hat funktioniert. Die Hoffnungen, die wir in die neuen Spieler gesetzt haben, die Veränderungen im Staff und insgesamt in der Struktur unserer Direktion haben funktioniert. Vor allem möchten wir nach dieser Saison konstatieren können, dass wir besser geworden sind. Grundsätzlich gilt: Wir waren immer dann am stärksten, wenn wir uns nicht mit anderen Vereinen verglichen, sondern versucht haben, das Bestmögliche aus uns herauszuholen. Deshalb werde ich jetzt auch keine plakativen Ziele ausrufen. 

Was ein Sportdirektor in einer Sommerpause macht, hängt zu großen Teilen vom Ergebnis der Analyse der vorangegangenen Saison ab. Das betrifft fußballspezifische, strukturelle und gruppendynamische Aspekte. Welche Ableitungen aus dieser Analyse können wir jetzt schon sehen? 
Es war eine gemeinsame Analyse, die wir intern betrieben haben. Und wir sind gemeinsam zu Ergebnissen gekommen. Ein Ansatz war, dass wir auf dem Transfermarkt an der einen oder anderen Stelle etwas früher unterwegs sein wollten, um der Entwicklung nicht hinterherzulaufen. Wir wollten proaktiv Ausrufezeichen setzen. Die Themen – egal, ob nun sportlich, hierarchisch oder strukturell – sind wir sehr konsequent angegangen. Das hat die Arbeit in den vergangenen Wochen in der Kaderplanung auf der Zugangsseite sicher etwas einfacher gemacht, auch wenn wir wissen, dass nicht alles direkt funktionieren wird. Aber wir sind großer Hoffnung, dass mit dem, was wir auf den Weg gebracht haben – mit einem neuen Trainer und seinem Team, welches eine Menge Euphorie im Umfeld hervorgerufen hat –, in dieser Saison etwas richtig Gutes entstehen kann. Dass so ein großer Umbruch Zeit benötigt, ist uns allen bewusst. Und dass auch immer wieder neue Herausforderungen auf uns warten, wie aktuell die schwere Erkrankung von Sébastien Haller, die uns alle schockiert und auch sportlich einen Einschnitt bedeutet hat, versteht sich von selbst. Nur wird keiner unserer Gegner ein Prozent weniger Leistung bringen, weil wir mit solchen Einschnitten zu kämpfen haben. Deshalb müssen wir lernen, damit umzugehen, uns zu wehren und jeden Tag unser Bestes zu geben. 

Nimm uns bitte mit in Deine Gefühlswelt. Was hast Du gedacht, als Du von der ersten Diagnose bei Sébastien erfahren hast?
Ich war bestürzt. Wir saßen im Trainingslager in der Schweiz in kleiner Runde zusammen, als uns die Nachricht erreichte. Anfangs hatten wir Hoffnung, dass sich diese Diagnose nach weiteren Untersuchungen vielleicht doch nicht bestätigen würde. Es kam leider nicht so.  

Du hast vom Umbruch gesprochen. Stellt die Dimension dieses Umbruchs zum Einstieg als Sportdirektor eine besondere Herausforderung dar?
Der Umbruch in der Direktion Sport war in einigen Bereichen vorgesehen, und jetzt war der richtige Zeitpunkt gekommen. Allerdings haben wir auch in den vergangenen Jahren im Lizenzspielerbereich schon einiges bewegt. Wir haben in Philipp Laux einen Sportpsychologen hinzugeholt. Wir haben das Thema Ernährung, verantwortet von Melf Carstensen, höher aufgehängt. Wir haben versucht, das Thema Integration stärker zu gewichten, weil wir wissen, dass insbesondere junge Spieler, die neu in Dortmund sind, die vielleicht auch zum ersten Mal in ihrem Leben im Ausland wohnen, ohne ihre Familie stärkere Führung und Begleitung benötigen. Das waren schon einige wichtige Schritte. Aber der größte Schritt kam sicher in diesem Sommer, nach einer schwierigen Saison, in der wir mit vielen Spielen und Ergebnissen nicht zufrieden waren. Ich habe mich oft genug für das Thema Leistungskultur stark gemacht. Da muss man dann auch konsequent sein im Sinne des Klubs. Ich denke, wir haben das Gesicht der Mannschaft, des Staffs und den internen Geist durch einige Transfers und Wechsel verändern können. 

Mats Hummels hat in einem Interview ähnliche Worte benutzt und festgestellt, dass das Thema Leistungskultur im Klub zuletzt nicht so ausgeprägt war wie nötig. Woran hat es gemangelt? 
Um ehrlich zu sein: Auch wenn die Gründe vielschichtig sind, war es das größte Problem, dass wir in der vergangenen Saison nie annähernd den kompletten Kader zur Verfügung hatten. Wenn man immer wieder umbauen muss, wenn eine Formation sich nicht ansatzweise findet, eine Gruppe nicht zusammenwachsen kann, dann ist es schwierig, erfolgreich zu sein. In Erling Haaland stand unser Torjäger viele Monate nicht zur Verfügung, auf den Außenverteidiger-Positionen sah es ähnlich aus, schon die Vorbereitung auf die vergangene Saison war geprägt von etlichen Verletzungen. Bis zur ersten Pokalrunde hatten wir nie einen Profi-Innenverteidiger auf dem Platz. Diese Ausfallzeiten zogen sich wie ein roter Faden durch die Spielzeit. Letztlich haben wir in der vergangenen Saison zu viele Gegentore kassiert – die meisten aller Top-Mannschaften in der Liga – und zu viele Spiele verloren. Ich bin überzeugt, dass uns die Veränderungen im Kader und im Staff helfen werden, genau diese Leistungskultur wieder zu schärfen und auch einen kompromissloseren Geist des Gewinnens in die Mannschaft zu bringen. Das alles kann man von außen unterstützen, vorleben, einfordern, aber nicht diktieren, das muss von innen heraus geschehen. Da sind die Jungs selbst gefordert. Der recht erfahrene Mannschaftsrat etwa weiß genau, wie Erfolg funktioniert und wie man ihn schlussendlich erreicht. Wenn das Zusammenspiel zwischen Team, Trainer und Verein nach diesen Maßgaben gelebt wird, werden wir erfolgreich sein. 

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Über Platz zwei in der Bundesliga würden sich viele Klubs immens freuen. Du hast der Saison jedoch nur ein „gut“ gegeben, weil wir die Menschen nicht so begeistern konnten, wie das der Fall hätte sein sollen. Ist das eine der zentralen Aufgaben für die neue Spiel- zeit: die Stadt, die Region wieder ein bisschen mehr zu euphorisieren? 
Euphorie entsteht vor allem auch durch gute Ergebnisse und Erfolge. Wenn aber die Herangehensweise stimmt, wenn die Haltung stimmt, verzeiht man dieser Mannschaft eine Menge. Dann sind die Menschen hier in dieser Region auch bereit zu leiden – und dann kann langfristig Großes entstehen. Die Fans haben nach zwei Jahren Corona wieder Lust, ins Stadion zu kommen. Ich sehe uns in der Pflicht, das entgegengebrachte Vertrauen mit Leidenschaft auf dem Platz und am Ende auch mit positiven Ergebnissen zurückzuzahlen. In der vergangenen Saison hat mir in einigen Spielen die nötige Gegenwehr gefehlt. Da bin ich ganz ehrlich. Natürlich kann es zu Beginn der Saison etwas holprig werden, das wissen wir, aber diese unbedingte Gegenwehr, die möchten wir alle und die möchte auch ich zu jeder Zeit spüren. 

Borussia Dortmund hatte in den zurückliegenden Jahren verhältnismäßig viele Trainer, die teilweise auch für unterschiedliche Spielstile standen. Für welchen Fußball wollen wir stehen? 
Für offensiv ausgerichteten, mutigen, leidenschaftlichen, intensiven, vielleicht manchmal auch ein wenig wilden Fußball. Diese Philosophie wird sich nicht verändern. Edin Terzic passt mit seiner Art, wie er Fußball spielen lassen möchte, sehr gut dazu. 

War es ein Paradigmenwechsel, nicht mehr auf einen blutjungen, sondern auf einen Stürmer im gesetzteren Alter zu bauen? Und dass man nicht vornehmlich spielerische Lösungen sucht, sondern fürs Mittelfeld auch jemanden holt, der obendrein für Robustheit steht? 
Wir haben uns viele Gedanken gemacht und auf die Qualitäten im Kader geschaut. Im vorderen Bereich sind wir weiterhin sehr, sehr jung unterwegs mit hochtalentierten Spielern wie Karim Adeyemi, Donny Malen, Gio Reyna, Youssoufa Moukoko oder Jamie Bynoe-Gittens. Der eine oder andere benötigt noch ein bisschen Zeit, Führung und Halt. Gerade deshalb haben wir uns dafür entschieden, auf der Neun einen 28-Jährigen dazu zu nehmen: Sébastien Haller, der eine Persönlichkeit ist und eine unglaubliche Professionalität an den Tag legt. Aktuell ist es natürlich bitter, dass uns Sébastien aufgrund seiner Tumor-Erkrankung zunächst gar nicht zur Verfügung stehen wird. Da tritt der Fußball ganz klar in den Hintergrund. Wichtig ist jetzt ausschließlich seine Gesundheit. Zurück zur Frage: Ja, wir verändern an dem einen oder anderen Punkt auch mal unsere Strategie. Niklas Süle bringt eine Menge Erfahrung mit, Salih Özcan bereichert uns im physischen Bereich mit seiner Art, Zweikämpfe zu führen. Ich denke, dass er eine Überraschung werden kann, weil er Facetten mitbringt, die uns bislang ein Stück weit gefehlt haben. Mich fasziniert seine Bereitschaft, hart zu arbeiten, dahin zu gehen, wo es mal weh tut. Salih hat aufgrund einer Verletzung aber leider einen großen Teil der Vorbereitung verpasst. Er wird sich in den nächsten Tagen hoffentlich richtig ans Team herankämpfen können. 

Bist Du ein Stück weit stolz darauf, dass sich deutsche Nationalspieler für den BVB entscheiden und nicht ins Ausland gehen?
An allen Spielern, die wir geholt haben, waren viele – auch ausländische – Klubs stark interessiert. Es lag deutlich mehr Geld für die Jungs auf dem Tisch, und trotzdem haben sie sich für Borussia Dortmund und für unseren Weg entschieden. Sie haben Bock auf unsere Fans, auf unser Stadion, und sie spüren, dass sich bei uns eine Menge tut, dass wir etwas Neues anstoßen wollen und dass sie sich bei uns auf allerhöchstem Niveau weiterentwickeln können. Für uns als Klub ist es auch wichtig, dass wir wieder eine Vielzahl an deutschen Nationalspielern und potenziellen Nationalspielern stellen.

In der jüngeren Vergangenheit gab es kaum deutsche Nationalspieler aus den Reihen des BVB. Mal Marco Reus, mal Julian Brandt, mal Emre Can...
Die Jungs müssen sich das erarbeiten und verdienen, das Prinzip galt doch schon immer. Julian Brandt aber zum Beispiel hat in der vergangenen Saison einen deutlichen Schritt nach vorn getan, Marco Reus war gesundheitlich viel stabiler, wird ein wichtiger Bestandteil beim DFB-Team bleiben, und Mats Hummels und Emre Can wollen zeigen, dass sie die WM noch nicht abgeschrieben haben. Dazu kommen nun Niklas Süle, Nico Schlotterbeck, Karim Adeyemi. Hansi Flick hat einige unserer Jungs auf dem Zettel, das weiß ich. Es liegt dann an ihnen selbst, sich zu beweisen und konstant gute Leistungen zu zeigen, um nominiert zu werden. Das kann am Ende für uns beim BVB nur förderlich sein. 

Edin Terzic konnte seine erste Saisonvorbereitung als Cheftrainer bestreiten und muss nun nicht wie im Dezember 2020 – damals als Interimslösung – einen Kaltstart hinlegen. Welche Eindrücke hast Du von seiner Arbeit bisher gewonnen? 
Er geht unglaublich fokussiert, engagiert und mit einem klaren Plan an die Aufgabe heran. Er hat mit seinem Trainerteam viele gute Ideen kreiert. Und er hat von Anfang an klargemacht, für welche Art von Fußball er steht. Edin ist sehr kommunikativ, führt zahlreiche Einzelgespräche und versucht, den Geist, den wir wieder im Verein implementieren möchten, auf die Mannschaft zu übertragen. 

Im Scherz hat Terzic nach der Verpflichtung von Peter Hermann (70) als zweitem Co-Trainer neben Sebastian Geppert (38) gesagt, dass dies den Altersschnitt des Trainerteams auf rund 50 Jahre anhebe. Warum wurde ganz bewusst Peter Hermann ausgesucht? 
Weil er ein ganz anderes Profil abdeckt und unglaublich viel Erfahrung mitbringt. Peter mit seiner Menschenführung und seiner Unaufgeregtheit ist eine Bereicherung und bringt Facetten ein, die wir im Trainerteam so nicht hatten. Er ist ein Ruhepol. Sein Umgang mit den Spielern ist sensationell. 

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Dein vormaliger Posten als Leiter der Lizenzspielerabteilung ist nicht neu besetzt. Machst Du jetzt beide Jobs? 
Wir hatten in diesem Sommer einen Wechsel, der so nicht geplant war, denn auch die Position des Technischen Direktors ist nun nicht mehr besetzt – Edin Terzic ist ja bekanntlich neuer Cheftrainer. Ich benötige ein gutes Team und natürlich auf Sicht auch Menschen, die mir gewisse Themenfelder abnehmen. Aber jetzt mal einen Schritt nach dem anderen... 

Nicht nur unser langjähriger Sportdirektor Michael Zorc hat aufgehört, sondern auch Leverkusens Rudi Völler in ähnlicher Position und zuvor schon der eine oder andere ältere Funktionär. Verhältnismäßig neu in vorderster Linie stehen neben Dir Simon Rolfes in Leverkusen und Marcel Schäfer in Wolfsburg. Tickt diese sportliche Führungs-Generation anders? 
Durch diesen Generationswechsel kehrt bei einigen Klubs ein anderer Führungsstil ein. Das versteht sich von selbst. Ob das am Ende auch erfolgreich sein wird, muss sich erst zeigen. Auf dem Weg zu sportlichen Entscheidungen leisten sehr viele Menschen im Klub einen wichtigen Beitrag. Sie mitzunehmen und trotzdem ein klares Rollenverständnis zu entwickeln, ist ein wichtiger Aspekt. 

Wir haben aktuell die erfolgreichste U23 im deutschen Fußball, wir haben seit einem Jahrzehnt den erfolgreichsten Nachwuchs. Welche Rolle spielt das NLZ für Dich? 
Wir gewinnen nahezu jedes Jahr einen Titel in den Jahrgängen U19 und U17 und bringen viele talentierte Spieler hervor. Der Spagat, den wir durch unsere Ansprüche auf höchstem Niveau haben, ist allerdings enorm groß. Deshalb spielt die U23 in unseren Planungen eine gewichtige Rolle, denn der eine oder andere aus dem Jugendbereich benötigt einfach noch etwas Zeit – und vor allem dauerhaft Spielpraxis im Männerfußball. Und selbst wenn er am Ende dann nicht in unserer ersten Mannschaft landet, geht er sehr häufig seinen Weg im Profifußball.  

Michael Zorc verbrachte 44 Jahre bei Borussia Dortmund, Lars Ricken ist fast 30 Jahre dabei, Ingo Preuß – der Manager der U23 – auch schon seit Jahrzehnten. Du gehst in Deine 19. Saison beim BVB. Worin besteht die Faszination unseres Vereins? 
Eine Konstanz auf diesen Positionen ist immens wichtig. Wer hier ständig Wechsel herbeiführt, kann auf Dauer nicht erfolgreich sein. Michael Zorc hat Borussia Dortmund in verschiedenen Rollen stark geprägt. Aki Watzke führt diesen Klub seit vielen, vielen Jahren auf außerordentlich hohem Niveau mit Expertise und Weitsicht. Ich bin froh und stolz, dass man sich dafür entschieden hat, dass es auf der Position des Sportdirektors wieder ein Borusse wird und nicht ein Externer, der die sportliche Verantwortung trägt. Ich habe mich lange darauf vorbereitet und viel investiert. Es ist wichtig, dass man im Klub gut vernetzt ist, ihn kennt, vor allem aber die Menschen in der Stadt und im Umkreis versteht, eine gewisse Form von Nahbarkeit mitbringt und gewillt ist, hart zu arbeiten. Es ist allerdings per se kein Qualitätsmerkmal, einfach nur lange bei einem Klub zu sein, das würde den Ansprüchen und Erwartungen des Vereins nicht gerecht werden. 

„Meine ersten Jahre als Sportdirektor waren noch stark von der Sichtweise der Spieler geprägt. Diese beiden Sichtweisen zu vereinen, war dann die große Aufgabe.“ Das hat Michael Zorc gesagt. Ist es von Vorteil, dass bei Dir sieben Jahre zwischen dem Ende der Spielerkarriere und dem Amtsantritt als Sportdirektor liegen? 
Ja. Aber auch die vier Jahre als Leiter der Lizenzspielerabteilung haben mir geholfen, diesen Abstand zu gewinnen. Ich fühle zwar ab und an noch wie ein Spieler, aber ich denke wie ein Manager. Die Erfahrung als Spieler auf höchstem Niveau ist trotzdem unheimlich hilfreich und nicht zu ersetzen; das Gefühl, wie eine Mannschaft, wie eine Kabine funktioniert, darf man nicht verlieren! 

Welche Argumente führst Du in Gesprächen mit potenziellen neuen Spielern an, um sie für Borussia Dortmund zu begeistern?
Wir bemühen uns in einer intensiven, ehrlichen Art um die Spieler und wollen ihnen ein Gefühl dafür geben, was wir mit ihnen vorhaben. Wir zeigen ihnen die klaren Möglichkeiten auf, die für sie bei Borussia Dortmund bestehen: sich auf allerhöchstem Niveau in der Champions League zu beweisen, in diesem phantastischen Stadion Fußball und um Titel zu spielen – und dabei auch gutes Geld zu verdienen. Diese Rahmenbedingungen sind in meinen Augen schwer zu schlagen. Was uns immer auszeichnen wird: Das, was wir versprechen, leben wir auch. Das ist nachweislich jeden Samstag zu sehen. Auf dem Spielberichtsbogen. Wir geben jungen Spielern immer wieder die Chance. Am Ende sind es natürlich sie, die sich beweisen müssen.

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Worauf kommt es im Poker mit anderen Klubs oder Spielern besonders an: Überzeugungskraft, Nervenstärke, Geduld, Psychologie? 
Ich habe in den zurückliegenden Jahren unterschiedlichste Gespräche erlebt, bei denen Michael Zorc als sehr erfahrener Verhandlungspartner auch mit dabei war. Keine Verhandlung verlief wie die andere. Das Momentum spielt eine große Rolle und natürlich der ganzheitliche sportliche Ansatz mit der damit verbundenen individuellen Perspektive. Grundsätzlich ist Verbindlichkeit dem Partner gegenüber sehr wichtig. Wir haben uns über Jahre hinweg bei vielen Beratern den Ruf absoluter Verlässlichkeit aufgebaut, von dem ich nun auch profitiere. 

Im kommenden Monat beginnen die Englischen Wochen, die für die Nationalspieler ab 2. September durchgängig sind: zwei Spiele pro Woche – ohne Pause bis Mitte November. Wie kann diese außergewöhnliche Belastung abgefedert werden? 
Indem man sich nicht so viele Gedanken darüber macht, sondern sich bestmöglich darauf vorbereitet. Auch in den vergangenen Jahren waren die Hinrunden vollgepackt mit Spielen. Ich beschwere mich nicht über diesen vollen Terminkalender, weil wir die Jungs darauf vorbereitet haben und es aufgrund vieler Faktoren ja auch gar nicht anders geht. Wir wollen auf allen drei Hochzeiten bis zum Schluss dabei sein. Und wenn man dann auch noch die Ehre hat, für sein Land eine WM zu bestreiten – über die man im Grundsatz diskutieren kann –, ist es ein Privileg. 

Andererseits gibt es eine außergewöhnlich lange Winterpause vom 14. November bis 19. Januar. Gibt es schon Pläne, wie diese Zeitspanne von zehn Wochen genutzt wird? Und wenn ja: welche? 
Wir haben uns dazu schon Gedanken gemacht und werden diese in den kommenden Wochen finalisieren. Es wird sicherlich Phasen geben, in denen wir die Mannschaft belasten werden; jedenfalls die Spieler, die nicht zur WM fahren, ergänzt durch Akteure aus der U23 und der U19. Womöglich ergibt sich auch die Gelegenheit, eine Auslandsreise anzutreten, um das Thema Internationalisierung für uns weiter zu besetzen. 

Am 25. August wird die Gruppenphase der UEFA Champions League ausgelost. Erstmals seit der Saison 2013/14 befindet sich der BVB nur in Topf drei. Dämpft das die Erwartungen? 
Es wird knackig. Topf drei ist eine ungewohnte Ausgangslage, aber das haben wir uns mit zwei schwachen Spielzeiten 2017/18 sowie im vergangenen Jahr selbst eingebrockt. Andererseits erinnere ich mich noch gut daran – ich bin ja selbst dabei gewesen –, dass wir einst sogar in Topf vier waren und eine Gruppe mit Manchester City, Real Madrid und Ajax Amsterdam gewonnen haben. Wir nehmen es so an, wie es kommt und sehen uns stark genug. Und eines ist auch Fakt: Keine Mannschaft aus Topf eins oder zwei wünscht sich Borussia Dortmund …
Interview: Sascha Fligge, Daniel Stolpe 
Fotos: Alexandre Simoes 

Der Text stammt aus dem Mitgliedermagazin BORUSSIA. BVB-Mitglieder erhalten die BORUSSIA in jedem Monat kostenlos. Hier geht es zum Mitgliedsantrag.