Im Blitzlichtgewitter der Fotografen präsentierte sich Thomas Tuchel am Mittwoch erstmals als Cheftrainer von Borussia Dortmund der Öffentlichkeit. Über 100 Medienvertreter lauschten seine Ausführungen.

Thomas Tuchel über ...
... sein Engagement und seine Ziele bei Borussia Dortmund:
„Ich bin überglücklich, mit dieser PK hier und heute offiziell BVB-Trainer zu sein. Ich hatte in meiner Auszeit den großen Wunsch, als nächstes einen Top-Bundesligisten zu trainieren; ich hatte den großen Wunsch, einen Traditionsverein zu trainieren; ich hatte den großen Wunsch, einen echten Herausforderer zu trainieren. Der BVB ist für mich ein großer Herausforderer in allen Wettbewerben, in denen wir spielen. Die nationale Spitze hat sich erweitert. Das ist nicht mehr nur Bayern München, das ist Borussia Mönchengladbach, Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg. Wir sind für dieses Quartett ein Herausforderer – und haben einen gewissen Rückstand aufzuholen. Diese vier Teams waren sowohl in der Hin- als auch in der Rückrunde die besten vier Teams. Sie haben gelernt, in Serie zu gewinnen und sich Widerständen entgegenzusetzen. Sie haben ihre Stellung verteidigt und nur noch untereinander die Plätze getauscht in Hin- und Rückrundentabelle.“

... über seine Philosophie:
„Es ist extrem wichtig, dass wir für diesen Weg eine besondere Hingabe entwickeln. Dazu benötigen wir eine Haltung, die geprägt ist von Fleiß, von Bescheidenheit, von Mut, von Offenheit und von einer Beharrlichkeit. Ich möchte, dass die vier Teams, die wir herausfordern, uns ständig spüren. Dafür müssen wir eine Atmosphäre schaffen, die durchdrungen ist von Leistungsbereitschaft, die frei ist von Egoismen, und die uns trägt. Sie muss spürbar sein bei jedem Training und in jeder Minute im Stadion.“

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... über das Vertrauen der Vereinsführung:
Für mich ist es wichtig, in verlässlichen Strukturen arbeiten zu dürfen. Die Unterstützung durch Hans-Joachim Watzke und Michael Zorc war ein ganz wichtiger Baustein für meine Entscheidung. Dieses entgegengebrachte Vertrauen hat mich von Anfang an beeindruckt und meine Entscheidung sehr leicht gemacht. Nur auf diese Art und Weise ist es für mich auch möglich, auf Jürgen (Klopp, d. Red.) nachzufolgen. Es ist für mich selbstverständlich, mit der größtmöglichen Anerkennung und Wertschätzung die herausragende Trainerleistung von Jürgen in den vergangenen sieben Jahren anzuerkennen. Jürgen war hier mehr als nur ein Trainer. Wir werden versuchen, unsere eigenen Kapitel hinzuzufügen, auf diesem hohen Niveau aufzusetzen und Weiterentwicklungen zu starten. Mein Team und ich freuen uns riesig auf diese Herausforderung und werden alles dafür geben.“

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... über die personellen Planungen:
„Es gibt keinen Forderungskatalog von mir. Wir haben einen tollen Kader. Es ist mein großer Wunsch, mit möglichst allen zu arbeiten und mir mit Trainingsbeginn ein eigenes Bild von den Qualitäten und den Charakteren zu machen. Die Mannschaft ist ausgewogen zusammengestellt und hat ein tolles Durchschnittsalter. Die Jungs haben Unglaubliches abgeliefert in den letzten Jahren. Es gibt keinen Grund, am Schreibtisch oder am Videogerät darüber zu urteilen, wer aus dieser Gruppe raus muss und durch einen Neuzugang ersetzt wird.“

... über die Art von Fußball, die er spielen lassen möchte:
„Dortmund hat einen Stil geprägt; es geht nicht darum, einen neuen zu erfinden. Dortmund steht für einen sehr aktiven Fußball, für Angriffsfußball, der mir persönlich Spaß macht, der allen Fans Spaß macht. Wir wollen agieren, wenn wir den Ball haben, und wir wollen ihn möglichst schnell zurückerobern, wenn wir ihn nicht haben. Ich habe eine große Wertschätzung für das Spiel gegen den Ball. Ich freue mich auf das große Talent der Spieler. Ich erhoffe mir so viel Qualität, dass wir dominant spielen können. Wenn wir uns kennen, werde ich entscheiden, welches System wir spielen, was gut für uns ist. Wer fühlt sich in welchen Räumen wohl? Wer passt mit wem gut zusammen? Ich möchte mir alles offen halten.“

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... über einen emotionalen Verein, ein emotionales Umfeld:
„Als ich vom Interesse erfahren habe, und als es konkret wurde, war für mich klar, dass es das ist. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, diese Chance ergreifen zu wollen. Ich bin ein sehr emotionaler Coach, der das mitlebt. Ich freue mich darauf zu erleben, wenn die Blocks gelb sind, wenn so eine Macht, so eine Energie entsteht, die man gar nicht mit Worten beschreiben kann. Ich bin sehr neugierig auf die Stadt und auf das Ruhrgebiet.“

... über die Qualifikationsspiele zur UEFA Europa League:
„Das Wichtigste ist Trainingszeit. Eigentlich. Die Euro-League-Quali ist eine massive Beeinträchtigung. Diese Spiele sind kein elementarer Nachteil, aber sie sind auch kein Vorteil. Daher gehen wir mit etwas Rückstand in das Rennen um die ersten vier Plätze. Wir werden es kompensieren müssen, weil wir gar keine andere Wahl haben. Wenn man die Chance bekommt, einen so großen Klub zu trainieren, kann man erwarten, dass er in einem europäischen Wettbewerb vertreten ist. Dort findet ja auch eine Weiterentwicklung für unser Team und auch für mich statt, auf die ich mich sehr freue.“

... über Terminprobleme in einer kurzen Vorbereitung:
„Natürlich hätten wir gerne eine längere, eine ruhigere Vorbereitung ohne diese unsägliche Länderspielabstellung (im Juni, d. Red.). Dass sich die Spieler erholen können und ausgeruht wieder zurück sind; dass wir gemeinsam starten und die wenigen Tage, die wir haben, auch nutzen, um die neuen Dinge so schnell wie möglich zu implementieren. Die Situation ist so wie sie ist. Sie ist nicht gerade ein Vorteil gegenüber den Teams, die wir attackieren wollen. Nun ist aber auch genug darüber gesagt. Wir werden Lösungen finden. Es kann unter Umständen bedeuten, dass die Aufbauphase – Spielprinzipien zu generieren, flexibler mit Systemen umzugehen – eventuell bis weit in die Saison gehen wird. Am Anfang wird weniger mehr sein. Wir dürfen nicht den Fehler machen, in die ersten vier Wochen bis zum ersten Pflichtspiel alles reinzupacken.“
Aufgezeichnet von Boris Rupert