Es ist die Geschichte eines visionären Planers und eines mutigen Stadtrats: Am 18. Oktober 1971 beginnt auf dem westlichen Nebenfeld der „Roten Erde“ der Bau eines Fußballstadions, das die Menschen auf dem gesamten Globus bis heute in seinen Bann zieht. Weil Stahl und Beton zu einem Mythos verschmolzen sind. 

Fußballstadien sind die Heimat von Fußballclubs, wichtige Imageträger für Vereine und Städte, unverzichtbare Einnahmequellen und, und, und. Sie genießen in den Augen der interessierten Sportöffentlichkeit einen ganz besonderen Rang, manchmal sogar einen Kultstatus. Es gibt Ground-Hopper, die rund um den Globus von Stadion zu Stadion reisen, um die besonders herausragenden Arenen kennenzulernen. Das Aztekenstadion in Mexico-City gehört dazu, das Giuseppe-Meazza-Stadion in Mailands Stadtteil San Siro, das Wembley-Stadion in London, die Anfield Road in Liverpool, das Maracana in Rio de Janeiro.  

Schauen wir zurück auf die Anfänge und die Entwicklung unserer weltberühmten Sportarena, die heute der bedeutendste Image- und Werbefaktor ihrer Heimatstadt Dortmund ist, seit 2009 laut der Londoner „Times“ als die Nummer eins der Welt gilt – als schönstes Stadion überhaupt. 

Der 18. Oktober 1971, ein Mittwoch, war ein Tag, der der Bezeichnung „Goldener Oktober“ alle Ehre machte. Es war der Tag des ersten Spatenstichs, pardon, des ersten Baggerhubs für das neue Stadion, das zu diesem Zeitpunkt noch keinen Namen hatte. Ich hatte das Glück, als Mitarbeiter des Informations- und Presseamtes gemeinsam mit meiner Kollegin, der Fotografin Margret Reimann, an dem Ereignis des ersten Baggerhubs und damit am Startschuss für das Stadion-Großprojekt teilnehmen zu dürfen.

Die Stadtspitze war dabei, natürlich Erich Rüttel, der „Vater" des künftigen Stadions. Willi Spaenhoff, der spätere Bürgermeister, Fritz Kauermann, der große alte Mann des Dortmunder Sports, sowie die Vertreter des Hochbauamtes und der bauausführenden Firmen. Zunächst wurden die Baupläne ausgebreitet und die ersten Arbeitsschritte erläutert.

Und dann war es auch schon so weit: Genau dort, von wo aus ich die Borussen der 1960er-Jahre so oft hatte trainieren sehen, wurde die Stehtribüne des kleinen Rasenplatzes beseitigt. Der Stadionneubau hatte offiziell begonnen.

Schon am nächsten Tag startete eine Arbeitsgemeinschaft mehrerer örtlicher Baufirmen mit den Arbeiten. Zunächst wurden 50.000 Kubikmeter Boden ausgehoben. Es gab im ersten Bauabschnitt geringe Verzögerungen, weil die Fundamente wegen alter Bergbaustollen aus dem frühen Bergbau des vor-vorigen Jahrhunderts besonders abgesichert werden mussten. Auch knapp drei Dutzend Bomben-Blindgänger wurden gefunden und mussten entschärft werden.

Allein bis zum Richtfest wurden 1.500 Tonnen Betonstahl und 6.500 Kubikmeter Beton auf der Baustelle verarbeitet. Für die Konstruktion des Daches waren 750 Tonnen Stahl erforderlich. Die vier Tribünen aus Stahlbeton entstanden in Fertigbauweise. Die Heizzentrale zur Wasserversorgung wurde außerhalb des Stadions neben der Wasserfilteranlage des Schwimmstadions „Volkspark“ angelegt, damit gleichzeitig das Schwimmbad mit Warmwasser versorgt werden konnte. Die Außenmaße des Stadions betrugen 150 × 200 Meter; das gesamte Baugrundstück umfasste 50.000 Quadratmeter.

Am 10. Februar 1972, also knapp vier Monate nach Baubeginn, akzeptierte die FIFA Dortmund als WM-Nachrücker für Köln, das aus finanziellen Gründen als Austragungsort für die WM 1974 ausfiel. Parallel zum Stadionbau begannen die intensiven Planungen für das größte Sportereignis, das bis dato hier stattgefunden hatte. Erich Rüttel wurde Leiter der WM-Außenstelle Dortmund.  

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Die ersten Pfeiler werden gesetzt.

Die Bevölkerung verfolgte mit überaus großem Interesse und vielen Besuchen der Baustelle den Baufortschritt, und schon am 29. März 1973 konnte bei reger Bürgerbeteiligung das Richtfest gefeiert werden. In der Einladung hieß es schlicht: „Am Donnerstag, dem 29. März 1973, 14.00 Uhr, wird das Richtfest für das Westfalenstadion Dortmund, Strobelallee, gefeiert. Wir gestatten uns, Sie hierzu herzlich einzuladen, Reinke, Bürgermeister, Imhoff, Oberstadtdirektor.“ 

Groß war die Freude, als Bundestrainer Helmut Schön und seine Nationalmannschaft mit allen Stars wie Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Sepp Maier, Wolfgang Overath und Günter Netzer am 12. Oktober 1973 das noch nicht ganz vollendete Westfalenstadion besuchten, und Schön druckreif formulierte: „Wir beglückwünschen Dortmund zu diesem herrlichen Stadion!“ Und: „Das Westfalenstadion wird auf der Welt nur durch das Aztekenstadion in Mexico-City übertroffen!“ Diese Worte waren ein echter Ritterschlag und machten in den internationalen Zeitungen die Runde. Dortmund freute sich über die Anerkennung aus berufenem Mund, die gleichzeitig von enormem Werbewert war. 

Schließlich war noch die Frage zu beantworten: „Wie soll denn unser neues Stadion eigentlich heißen?“ Sportdezernent Erich Rüttel griff im April 1972 das Ergebnis eines Namenswettbewerbs der „Westfälischen Rundschau“ auf, bei dem sich die Bezeichnung „Westfalenstadion“ herauskristallisiert hatte und schlug diese Bezeichnung dem Rat der Stadt vor. 

Weitere Vorschläge lauteten: Ruhrstadion, Tremoniastadion, Ardeystadion, Willi-Brandt-Stadion, Europastadion, Hansastadion und Reinoldusstadion. Das Stadtparlament folgte Rüttels Vorschlag, und neben der Westfalenhalle und dem Westfalenpark gab es nun in der größten Stadt Westfalens auch noch das Westfalenstadion. Es kann nicht verwundern, dass schon kurze Zeit später von den „Dortmunder Drillingen“ gesprochen wurde. 

Ende März 1974 war das Westfalenstadion fertiggestellt und reif für die Eröffnung. 54.000 Fußballfans fanden Platz. Die 17.000 Sitzplätze (Ost- und Westtribüne) waren zu 100 Prozent, die 37.000 Stehplätze zu 80 Prozent überdacht. Die größte Entfernung vom Spielfeldrand betrug 40 Meter, der höchste Sitzplatz befand sich 17 Meter über dem Spielfeld. Das Stadion erhielt vier Flutlichtmasten mit einer Leuchtkapazität von 1.250 Lux. Fernseh- und Rundfunkreporterkabinen entstanden über den Zuschauertribünen. Die Presse bekam separate Sitzplätze mit Schreibpulten und Telefonanschlüssen. Das war alles richtungweisend und hochmodern. 

In Verhandlungen mit dem DFB hatte Erich Rüttel erreicht, dass es zur Eröffnung – ähnlich wie 1926 bei der „Roten Erde“ nebenan – zwei Premieren geben sollte: Eine inoffizielle am 2. April 1974 und eine offizielle mit dem Fußball-Länderspiel Deutschland – Ungarn am 17. April. 

Das Westfalenstadion kostete am Ende 31,7 Mio. D-Mark (umgerechnet 16,2 Mio. Euro), worin allerdings auch 1,6 Mio. DM für den Umbau der „Roten Erde“ zu einem Leichtathletikstadion eingeschlossen waren. Damit war es preiswerter als allein das Dach des Olympiastadions in München und lag auch deutlich unter den jeweiligen Stadion-Umbaukosten der anderen elf WM-Städte. Vier Fünftel der Kosten wurden durch Land, Bund, Glücksspirale, Mehrwertsteuer-Rückerstattung und Spenden gedeckt, sodass die Stadt Dortmund letztlich lediglich sechs Millionen D-Mark aus dem eigenen Stadtsäckel hinzuschießen musste. 

Man hatte eine einmalige Chance hervorragend genutzt! 

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Autor: Gerd Kolbe 
Fotos: BVB-Archiv, Familie Alexander 

Der Text stammt aus dem Mitgliedermagazin BORUSSIA. BVB-Mitglieder erhalten die BORUSSIA in jedem Monat kostenlos. Hier geht es zum Mitgliedsantrag.