Er hat eine schwierige Zeit hinter sich. Ein Kreuzbandriss, zwei Rückschläge. Doch all das interessiert Jakub Blaszczykowski nicht. Unser Mittelfeldspieler denkt nicht an das Gewesene, sondern nur an das Künftige; an das, was noch zu beeinflussen ist. Er sagt: „Wir müssen an morgen denken.“ Kurze Pause. „Und nicht an das, was im Mai sein wird.“

Jakub, wie geht es Dir?
Danke, momentan geht es mir gut. Nach der Vorbereitung war ich ein bisschen erkältet, aber jetzt ist alles gut. Ich denke, dass ich es jetzt wirklich erst einmal hinter mir habe. Das war genug für eine lange Zeit. Jetzt denke ich nur positiv, nur nach vorne.

Die hinter Dir liegende Zeit war nicht einfach. Du hattest nach dem Kreuzbandriss auch noch zwei Rückschläge; erst den Muskelfaserriss mit Sehnenbeteiligung im Herbst, dann eine Erkältung nach der Wintervorbereitung.
Das sind unterschiedliche Dinge. Die eigentliche Erkältung hatte ich nur eine Woche, aber trotzdem war es nicht leicht. Denn ich hatte die ganze Vorbereitung mitgemacht, war gut drauf. Doch dann kam die Krankheit. Dennoch war der Kreuzbandriss etwas ganz anderes – da habe ich acht Monate nicht gespielt. Dann kamen durch den Muskelfaserriss noch einmal zwei, drei Monate hinten drauf. Aber, wie gesagt: Das habe ich schon alles hinter mir, daran kann ich nun nichts mehr ändern. Jetzt will ich nur noch mit dem BVB Punkte holen.

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Bei wie viel Prozent Deines Leistungsvermögens kannst Du aktuell sein?
Das ist schwierig zu sagen. Die Vorbereitung war wichtig für mich. Und auch bei großer Belastung hat mein Knie keine Reaktion gezeigt. Ich hatte überhaupt keine Schmerzen mehr. Das war das Wichtigste. Was mir momentan fehlt, ist Spielpraxis. Das ist jetzt das Wichtigste. Denn Training ist schon etwas anderes als ein Spiel. Nur im Spiel kommt dann auch das Selbstvertrauen wieder dazu.

Wie sieht es mit dem Vertrauen in den eigenen Körper aus?
Das ist wieder da. Ich bin nicht der Typ, der noch auf dem Platz über alles nachdenkt. Dort versuche ich einfach, alles zu geben. Ich kann gar nicht anders. Das ist mein Charakter. Würde ich jetzt anders ins Spiel oder in einen einzelnen Zweikampf gehen, dann wäre ich nicht komplett da. Wenn ich etwas mache, dann mache ich das zu 100 Prozent.

Kuba, Du hast Dir zuletzt viele Spiele von der Tribüne anschauen müssen. Eine komplett andere Perspektive als jene unten auf dem Rasen. Was ist Dir aufgefallen, was hat der Mannschaft gefehlt, zum Beispiel im letzten Heimspiel gegen Augsburg?
Vorab: Ich finde, dass wir genug geredet haben, wir sollten nun auf dem Platz handeln. Um die Frage zu beantworten: Momentan spielen wir einfach nicht unser Spiel. Früher haben wir das eine oder andere gemacht – und alles, wirklich alles hat wunderbar gepasst. Jetzt ist das genau umgekehrt: Egal, was wir machen, das machen wir falsch. Ich finde, wir müssen wieder und weiter unser Spiel durchziehen, denn nur dann können wir unsere Qualitäten komplett einbringen und sämtliche Potenziale voll ausschöpfen. Wir müssen unsere Fähigkeiten zeigen. Es ist ja schon so, dass wir noch immer gute Momente in einem Spiel haben – nur treffen wir dazwischen zu oft die falschen Entscheidungen. So, jetzt aber genug geredet, lieber will ich jetzt etwas auf dem Platz zeigen.

Nur eine einzige Nachfrage: Du hast das Früher angesprochen, das geprägt war von Pressing und Gegenpressing, das in der absoluten Hochphase gekennzeichnet war von einer regelrechten Balljagd. Ist das grundsätzlich auch das richtige Mittel, um da unten rauszukommen, oder kann man das nur spielen, wenn man selbst eine ganz breite Brust hat?
Doch, so kannst du spielen. Allerdings muss es dann wieder hundertprozentig aufeinander abgestimmt sein. Das Timing muss stimmen. Es geht doch nicht, dass ein Stürmer anläuft – und alle andere in dem Moment nicht. Das muss alles zusammenpassen. Dann, und nur dann kann dir das einen großen Vorteil bringen. Zunächst müssen wir aber unsere individuellen Fehler abstellen. Es ist doch so: Beim Fußball machst du immer Fehler, das ist gar nicht schlimm. Du musst nur weniger machen als dein Gegner. Also müssen wir unsere dramatisch minimieren – oder nach einem Ballverlust zumindest den Ball sofort wiederholen. Das, meine ich, müssen wir wieder zeigen – dann kommt alles andere auch zurück.

Zum Beispiel: Selbstvertrauen.
Klar! Aber das kommt eben nicht von alleine zurück. Wir müssen die gerade besprochenen Dinge auch mal umsetzen. Denn aktuell sieht jeder Gegner eine Chance, gegen Borussia Dortmund zu gewinnen. Jeder weiß, dass wir momentan nicht das spielen, was wir spielen könnten. Das Einzige, was uns in dieser Situation helfen kann, das sind wir selbst. Das muss jeder einzelne verstehen, jeder Einzelne zeigen. Das ist momentan das Wichtigste – und das Schwierigste.

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Wie kannst Du konkret helfen? Es mangelt derzeit auch extrem an Toren. Du hast in der Vorbereitung immerhin zwei Mal getroffen.
Ja, ich hab zwei gemacht – und das war tatsächlich nicht schlimm. Wenn du von einer Verletzung kommst, dann bringen dir Tore Selbstvertrauen. Aber vor allem will ich der Mannschaft mit meiner Erfahrung helfen. Einige unserer Spieler sind noch sehr jung, da müssen die erfahrenen Spieler die Hauptlast schultern und dafür sorgen, dass die Jüngeren diesen Druck nicht so stark spüren.

Du sprichst es an: Du bist erfahren und Du bist seit 2007 beim BVB. Ist die aktuelle Situation mit irgendwas Vorherigem zu vergleichen?
Als ich nach Dortmund gekommen bin, war die Gesamtsituation eine komplett andere. Wir haben nicht so weit oben gespielt, keiner hat von uns erwartet, dass wir um irgendwelche Titel mitspielen. Jetzt ist die Situation eine ganz andere – und die Mannschaft auch. Der Druck ist also vor allem anders, und natürlich ist er auch groß. Aber das gehört zum Fußballerleben. Du spielst immer unter Druck, musst damit leben. Das ist normal und du kannst es nicht ändern. Der Punkt ist doch: Keiner, absolut keiner hat erwartet, dass wir in diese Situation kommen würden, in der wir nun sind. Aber: Ab und zu musst du offensichtlich ganz unten stehen, um zu wissen, wie das schmeckt, erst dann kannst du die besseren Momente richtig genießen. Im Leben ist das immer so.

Kaum einer steht immer auf der Sonnenseite.
Genau! Wir sind momentan in einer schwierigen Situation. Aber auch die gibt uns viele wertvolle Erfahrungen. Natürlich könnte ich grundsätzlich auch sehr gut auf die schwierigen Momente verzichten, aber das ist das Leben und das haben wir momentan. Wir müssen das jetzt erleben – und weiter kämpfen.

Wie gehst Du diesen Kampf an?
Gegenfrage: Was haben wir in der ersten Meistersaison gemacht? Auch damals hatten wir Druck. Wir hatten zwar acht Punkte Vorsprung, aber dahinter war Bayer Leverkusen. Da war der Druck auch groß. Und damals haben wir vor jedem Spiel nur eines im Kopf gehabt: Was ist morgen? Gegen welche Mannschaft spielen wir morgen? Das, was morgen ist, das nächste Spiel, das ist das Wichtigste – und nicht, was irgendwann im Mai kommt. Darüber muss man nicht nachdenken. Natürlich ist es schwer, den Druck des Abstiegskampfes beiseite zu schieben, aber unterm Strich müssen wir uns nur auf das nächste Spiel konzentrieren – und allein dadurch werden wir wieder besser spielen.

Den Druck spüren offensichtlich auch unsere Fans. Bei ihnen ist es die Angst um ihren Verein. Kannst Du die Reaktion der Fans nach dem letzten Heimspiel gegen Augsburg verstehen?
Natürlich! Das müssen wir verstehen. Wir haben über die Jahre eine solch wahnsinnige Unterstützung von unseren Fans bekommen. Das gibt es doch sonst nirgendwo, bei keinem anderen Verein, das gibt es nur bei Borussia Dortmund. Und jetzt haben sie eben das Gefühl, dass da momentan nicht viel geht. Wir haben auch darüber gesprochen, dass wir trotz der schlechten Hinrunde bislang eine so maximale Unterstützung erfahren haben – und wir als Mannschaft dennoch nicht weitergekommen sind. Vielleicht brauchten wir jetzt mal das andere, vielleicht hilft das ja jetzt. Wir verstehen unsere Fans jedenfalls hundertprozentig. Denn wir haben ihnen zuletzt wenig schöne Momente gegeben. Ich hoffe, dass wir das nun umdrehen und auch in dieser Saison noch glücklich werden.
Interview: Nils Hotze