Wembley ist offenbar kein gutes Pflaster für Borussia Dortmund. Hans Tilkowski kassierte hier vor über 50 Jahren – im WM-Finale 1966 – das berühmteste Tor der Fußballgeschichte, 2013 verlor Borussia Dortmund an dieser Stätte das Champions-League-Finale gegen Bayern München. Gianluca Rocchi war damals auch schon dabei...

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Italienische Schiedsrichter in Wembley haben Borussia Dortmund jedenfalls kein Glück gebracht. 2013 haderte Schwarzgelb mit den Entscheidungen von Nicola Rizzoli, gut vier Jahre später mit einem fatalen Pfiff seines Landsmanns Gianluca Rocchi, der im Champions-League-Finale als Torrichter eingesetzt war. Dass Rocchi dem Treffer von Pierre-Emerick Aubameyang in der 56. Minute zum vermeintlichen 2:2-Ausgleich die Anerkennung verwehrte, war jedenfalls eine krasse Fehlentscheidung, die beim Einsatz eines Video-Assistenten, den es in der UEFA Champions League nicht gibt, wohl nicht getroffen worden wäre.

Etwas unglücklich war aus Dortmunder Sicht sicher auch, dass das Gespann drei Minuten vor dem Anpfiff die Farbe des Tapes an den Stutzen von Roman Bürki bemängelte, der Torhüter in Windeseile das Klebeband entfernen und andersfarbiges anlegen musste. 224 Sekunden nach dem Anpfiff war er zum ersten Mal bezwungen.

Doch die Niederlage insgesamt an diesem kleinen Detail oder der falschen Abseits-Entscheidung festzumachen, wäre falsch und würde von offensichtlicheren Defiziten ablenken, deren Aufarbeitung Peter Bosz zu später Stunde bereits charmant umschreibend andeutete: „Bei den Gegentoren waren wir zu lieb.“ Sowohl Son in der vierten als auch Kane in der 15. Minute beim 2:1 konnten nicht gestellt werden.

Der Niederländer konkretisierte: „In der ersten Halbzeit haben wir sehr dominant gespielt, hatten insgesamt ein gutes Positionsspiel und haben das Match mit gutem Fußball kontrolliert. Aber wenn man so spielt, dann sind die Räume hinten groß, und die muss man verteidigen. Zweimal haben wir nicht gut aufgepasst.“

„In entscheidenden Momenten nicht gut organisiert“

Bei beiden Gegentoren in der ersten Hälfte stimmten die Zuordnungen in der Hintermannschaft nicht, wurde diese durch zwei schnelle Pässe und einen Spurt des Torschützen ausgehebelt. „Wir waren in den entscheidenden Momenten in der hinteren Defensive nicht gut organisiert“, bemängelte Bosz. Er hatte Spiele wie diese bereits vorher in den Entwicklungsprozess seiner Mannschaft einkalkuliert und am Vorabend geäußert: „Es wird auch mal passieren, dass wir zwei, drei oder vier Gegentore kassieren. Aber das wird eine Ausnahme sein. Sie haben Vertrauen in diese Spielweise und wissen, dass das funktioniert.“ Nach vier gegentorlosen Partien in Liga und Pokal waren es nun drei in einem Spiel.

„Deutsche Mannschaft, die Raum und Ball dominierte“

So nimmt Borussia Dortmund viele Erkenntnisse mit aus Wembley. Negative wie positive. „Unser Spiel sieht man leider nicht im Ergebnis“, meinte Bosz. „Harry Kanes Instinkt vor dem Tor war der Unterschied, während die Spurs weitgehend zum Rückwärtsgang gezwungen waren gegen eine deutsche Mannschaft, die Raum und Ball dominierte“, bemerkte die BBC in ihrem Online-Auftritt.

Nach dem ersten Spiel ist noch nie eine Mannschaft weitergekommen und demzufolge auch noch keine ausgeschieden. „Jetzt ist das Heimspiel gegen Tottenham noch wichtiger. Wir müssen sie zu Hause schlagen“, betont Christian Pulisic. Und Peter Bosz ist überzeugt: „Für mich ist alles noch offen. Das war nur ein Spiel. Wir sehen uns auch noch in Dortmund.“
Boris Rupert