222 Länderspiele für Deutschland. Champions-League-Siegerin. Clara Woltering ist einer der Großen im Damen-Handball. Und sie spielt für Borussia Dortmund. „Ich bin ziemlich sportverrückt. Wenn ich nicht für beides, Beruf und Borussia, so viel Leidenschaft hätte, würde ich es sicher nicht machen“, verrät Clara Woltering im Interview und gesteht: „Ich bin froh, dieses ehrgeizige Projekt BVB begleiten zu dürfen. Erneut ein Platz unter den ersten Fünf wäre schon stark.“

Frau Woltering, Hand aufs Herz: Wie oft werden Sie trotz vorher anders lautender Gerüchte noch einmal um ein Jahr beim BVB verlängern?
Ich habe eines gelernt: Sag niemals nie! Und ich bin ziemlich sportverrückt. Wenn ich nicht für beides, Beruf und Borussia, so viel Leidenschaft hätte, würde ich es sicher nicht machen. Denn die Kombination ist für Körper und Geist schon anstrengend. Und es ist nach wie vor schön, als Gewinnerin von der Platte zu gehen. Ich bin froh, dieses ehrgeizige Projekt BVB begleiten zu dürfen. Andererseits haben wir zwei junge Torhüterinnen geholt. Denen gehört schon die Zukunft. Die sind gut drauf, von denen können wir etwas erwarten. Der BVB möchte ja nach oben. Dort gehört er auch hin.

Ist das Ihre Erwartung konkret an diese Saison?
Wir befinden uns in vielen Bereichen im Aufbau, können sicher schon jetzt alle ärgern, aber den Titel machen andere unter sich aus.

Wann wäre es denn eine Saison, mit der Sie persönlich zufrieden wären?
Erneut ein Platz unter den ersten Fünf wäre schon stark. Aber wir müssen abwarten. Die Konkurrenz hat sich sehr gut verstärkt. Und man braucht auch das nötige Glück, dass man zum Beispiel von schwerwiegenden Verletzungen verschont bleibt. In der vergangenen Saison hatten wir viele Hochs, aber auch ein paar Tiefs. Wenn wir die Tiefs minimieren, dann ist richtig was drin.

Bild
Mehr über Clara Woltering in der neuen Ausgabe der „Borussia“. Vereinsmitglieder finden sie ab Freitag in ihrem Briefkasten. Käuflich zu erwerben ist das BVB-Magazin u.a. in allen Fanshops.

Auf vielen Ebenen wird immer wieder über eine adäquate Ballsporthalle diskutiert. Wie stehen Sie als Spielerin dazu?
Ich habe in meiner Karriere viele Hallen gesehen, auch im Ausland, und deshalb kann ich sagen: Wir sind in Deutschland grundsätzlich nicht gut aufgestellt, was die Hallennutzung angeht. Da müssen wir viel offener sein. Es gibt Länder, in denen sind die Hallen immer offen. Kinder können immer rein. Sie müssen sich natürlich an Regeln halten, aber es ist auch immer ein Hausmeister vor Ort, der sich kümmert. Nur so kann ich Kinder für Hallensport begeistern. Es ist doch einfach: Fußball kann ich überall spielen, für Handball brauche ich eine Halle. Und es gibt immer Lösungen.

Wie könnten die konkret aussehen?
Es fängt wirklich beim Grundgerüst an. Wir haben in Dortmund doch das beste Beispiel: Zwischen 2003, als ich schon mal ein Jahr beim BVB war, und meiner Rückkehr 2015 hatte sich an der Halle Wellinghofen tatsächlich gar nichts verändert. Dabei ist es bei einer Halle wie beim Haus: Man muss Haus und Hof permanent in Ordnung halten. Das ist Arbeit.

Auf Ihrer Visitenkarte stehen 222 Länderspiele. Dabei hatte der damalige Bundestrainer Ekke Hoffmann gemäkelt, es fehle Ihnen an Spannbreite. Was ist passiert?
Als Kind hatte ich in Coesfeld sicher nicht die beste Förderung. Ich habe erst sehr spät Torwarttraining bekommen und immer mein eigenes Ding gemacht. Daher kommt das Unorthodoxe in meinem Spiel. Ich hatte neben Talent aber vor allem auch Willen. Viele Trainer haben anfangs gesagt, dass das nichts wird. Ich habe bewiesen, dass es nicht allein auf den Stil ankommt. Einziger Nachteil: Mein Körper hat durch die ständigen Sprünge gegen irgendwelche Pfosten sicher mehr gelitten als er das unbedingt gemusst hätte. Eigentlich bin ich aber nur der Beweis für eine alte Weisheit: Im Leben kann man alles schaffen – man muss nur wollen und an sich glauben.

Sie haben viel dafür gegeben – und fast alles gewonnen.
Es gibt nichts Schöneres, als darauf zurückblicken zu dürfen. Wenn man als Sportlerin einmal Olympia miterleben kann, dann ist das das Größte. Eine Champions League zu gewinnen, ist auch einmalig. Meine Karriere hat mir aber auch viele Kleinigkeiten gegeben: Wie viele Menschen ich kennenlernen durfte, wie viele Freundschaften sich daraus entwickelt haben und wie vielen Leuten ich dadurch auch meinen Beruf erklären konnte.

Aber noch einmal Hand aufs Herz: Man muss schon auch bescheuert sein, um sich freiwillig in ein Handballtor zu stellen. Oder?
Ja, schon, aber es gibt auch andere Positionen. Also Kreisläuferin wollte ich auch nicht sein. Handball ist halt ein körperlicher Sport. Da kann man nicht wie Neymar minutenlang auf dem Boden liegen bleiben. Das gibt es bei uns nicht mehr. Wer bei uns vorne liegen bleibt, der muss für drei Angriffe raus, Punkt. Deshalb bleibt bei uns keiner liegen.
Interview: Nils Hotze