Als erster und einziger Bundesliga-Klub setzt der BVB seit Beginn der Saison 2018/2019 eine Technologie ein, die es ihm erlaubt, Werbeflächen im Signal Iduna Park zu vervielfachen, ohne einen einzigen Quadratzentimeter zusätzliche Werbefläche zu schaffen. Die Virtuelle Bande ermöglicht es, bei TV-Übertragungen in den USA andere Werbung zu schalten als in Europa – und in Asien andere als in den USA. Die Fans daheim in Deutschland bekommen das gar nicht mit. Das erste Feedback der Partner fällt außerordentlich positiv aus.

Es geschah am 26. August 2018 im Signal Iduna Park. Niemand hat es mitbekommen. Und genau das war der Plan. Er ging perfekt auf. Und tut es seither bei jedem einzelnen Heimspiel des BVB!

Saisonauftakt in der Fußball-Bundesliga. Ein wunderschöner Spätsommertag. Borussia Dortmund gegen RB Leipzig. Die Tradition gewinnt mit 4:1. Spitzenreiter! Einen Monat zuvor waren die Schwarzgelben noch durch die USA getourt. Sie hatten Chicago, Charlotte und Pittsburgh besucht. Hatten gegen Manchester City, den FC Liverpool und Benfica Lissabon gespielt. Waren von den Soccer-Fans in den Vereinigten Staaten enthusiastisch empfangen worden. Und jetzt, am ersten Spieltag, bedankt sich der BVB bei seinen amerikanischen Anhängern für die überwältigende Willkommens-Kultur. Mit einer Botschaft auf der Werbebande im Stadion. Ehrlich? - denken Sie! Habe ich ja gar nicht gesehen! Stimmt. Konnten Sie auch nicht. Sollten Sie auch nicht. Denn die Botschaft, die übrigens ein unüberhörbares Echo auslöste, war ausschließlich für die USA bestimmt. Sie war ausschließlich im US-Fernsehen zu sehen.

Möglich macht das die virtuelle Bandenwerbung. Der Technologie-Dienstleister Supponor hat sie entwickelt. Der BVB und sein Vermarktungspartner Lagardère Sports haben das Hightech-Verfahren durch die Deutsche Fußball-Liga (DFL) zertifizieren lassen. Als erster und einziger Bundesligist setzt Borussia Dortmund das Tool seit Beginn der Spielzeit 18/19 ein. Heimspiel für Heimspiel. "Die Resonanz ist ausgesprochen positiv. Wir haben nicht nur keinerlei Beschwerden, sondern ausnahmslos positive Rückmeldungen", sagt Carsten Cramer, der in der BVB-Geschäftsführung das Marketing verantwortet.

"Wir können neue, internationale Partner gewinnen."

Inzwischen erfüllen sich auch die finanziellen Erwartungen, die BVB und Lagardère an das vierfach gesplittete Signal geknüpft haben. Es kann Europa/Afrika, Nord- und Südamerika, Süd-Asien (u.a. China, Indien, Korea) sowie Japan und Südost-Asien (u.a. Thailand, Malaysia, Vietnam) zeitgleich mit unterschiedlichen Werbebotschaften bedienen. Der Clou: Die virtuelle Bande ermöglicht eine Vervielfältigung der Werbefläche im Stadion, ohne auch nur einen Quadratzentimeter zusätzliche Werbefläche zu schaffen. Sie ermöglicht dem BVB zusätzliche Einnahmen in Millionenhöhe. Denn "der Trend geht ganz klar zur passgenauen Werbung, die sich an den Märkten in den jeweiligen Ländern, also an den Zielgruppen und ihrem Konsumverhalten orientiert", sagt Christian Kothe, Vertriebschef bei Lagardère Sports. Mit der virtuellen Bandenwerbung können die Vermarktungsexperten diesem Trend Rechnung tragen. „Aus Sicht eines Spezialchemie-Unternehmens, das in 100 Ländern rund um den Erdball vertreten ist, können wir die Chance, unseren Markenauftritt individueller auf die einzelnen Märkte auszurichten, nur begrüßen“, betont Markus König, bei der Evonik Industries AG im Team der Markenkommunikation.

Vorteil 1: "Unsere langjährigen Partner wie Evonik und Wilo, die ihre Produkte weltweit vertreiben, haben jetzt die Möglichkeit, ihre Kunden in deren Landessprachen anzusprechen", erklärt Carsten Cramer. Vorteil 2, ergänzt Kothe: "Wir können neue, internationale Partner gewinnen, die ihre Produkte in Deutschland gar nicht anbieten, die aber eine sportaffine Zielgruppe haben und die Reichweite der BVB-Übertragungen in ihren Zielländern nutzen."

So hat die Virtualität selbst für die Traditionalisten unter den Fans, für die "Internationalisierung" und "Monetarisierung" Begriffe aus der Fußball-Hölle sind, ihren Charme. Denn die Anhänger bemerken nicht nur nicht, dass die Vermarktung weiter optimiert wird. Anders als in vielen anderen Stadien werden sie im Signal Iduna Park auch nicht mit Werbebotschaften auf Chinesisch, Russisch oder Arabisch konfrontiert, die sie völlig ratlos zurücklassen. Dass sich Fußballfans in der Mongolei freuen, wenn sie das heimische Unternehmen MIAT auf der Bande im Signal Iduna Park werben sehen, nimmt hierzulande niemand wahr. "Vor der virtuellen Werbung brauchten wir drei verschiedene Spieltage, um die Zielgruppen in unseren Kernmärkten in drei verschiedenen Sprachen – auf Englisch, Chinesisch und Deutsch – anzusprechen. Nun können wir unsere Botschaften an jedem Spieltag individuell in die Ländermärkte ausspielen", sagt Jan Radzey, Group Vice President Sales Area South West der WILO SE.

Es geschah am 10. November 2018 – und wieder bekam es niemand mit. Borussia Dortmund empfing in der Bundesliga den FC Bayern München zum Gipfeltreffen der nationalen Branchenführer. In mehr als 200 Fifa-Mitgliedsstaaten wurde die Partie übertragen. Natürlich auch in China. Dort ist der 11. November der so genannte "Single’s Day", auch "Double Eleven" genannt – ein Tag, an dem der Online-Handel mit Mega-Rabatten lockt. Vergleichbar mit dem "Black Friday" in den USA oder dem "Cyber Monday". Nur eben chinesisch. Also größer. Allein die Shopping-Plattform Alibaba setzte 2018 am "Single’s Day" fast 31 Milliarden US-Dollar um. Am Vorabend des 11.11. rückte die virtuelle Werbebande im Signal Iduna Park plötzlich ins Visier der Marketing-Abteilungen von Tchibo, der Drogeriemarkt-Kette Rossmann und des Flensburger Pharma-Konzerns Queisser, der mit seinem Produkt "Doppelherz" auf den chinesischen Markt drängt. Keines dieser drei Unternehmen wirbt in Deutschland im Fußball-Umfeld. Aber die TV-Reichweite des Topspiels zwischen BVB und Bayern war die perfekte Eintrittstür zu den Kunden in Asien. Vor allem Queisser zeigte sich mit dem "Doppelherz"-Absatz am "Single's Day" hochzufrieden. 

"Heute rufe ich mal bei Borussia an und miete ein paar Meter Werbebande." 

Ein anderes Beispiel für die neuen Möglichkeiten, die die virtuelle Bandenwerbung bietet: In Deutschland gehört die traditionsreiche Dortmunder Biermarke "Brinkhoff’s No. 1" zum Kreis der BVB-Champion-Partner. Die Vertriebsstrategie von Brinkhoff's ist jedoch ganz klar regional ausgerichtet. In den USA kann man das Bier nicht kaufen. Wohl aber DAB, das – wie Brinkhoff's – zur Radeberger-Gruppe gehört. Also warb die Marke über die virtuelle Bande in Kanada und den USA mit dem traditionsreichen Duo aus Dortmund: DAB und BVB! Kein Problem für Brinkoff's, denn eine Kollision der Interessen konnte ausgeschlossen werden.

Hinter all dem steht ein ungeheuer komplexer und komplizierter technischer Prozess. Übrigens auch ein extrem teurer. Allein die Entwicklung hat etliche Jahre gedauert und Abermillionen Euro verschlungen. Schließlich muss das Tool bei strömendem Regen und dichtem Schneefall, bei perfekt austariertem Flutlicht und bei gleißendem Sonnenschein gleichermaßen verlässlich funktionieren. Auch im Einsatz ist die Technik alles andere als preiswert, denn um die unterschiedlichen Signale auf ihre Reise um den Globus schicken zu können, müssen Satelliten-Kapazitäten gebucht werden. Doch der Aufwand lohnt sich. Mittlere bis hohe siebenstellige Erlöse sorgen schon jetzt für viel Freude beim BVB und bei Lagardère. Der Vermarkter ist dabei der Schlüssel zum Erfolg. "Ohne die globalen Vertriebsstrukturen könnten wir die Bande gar nicht vermarkten", sagt Carsten Cramer. "Es ist ja nicht so, dass der Geschäftsführer einer thailändischen Brauerei in seinem Büro sitzt und denkt: Ach, heute rufe ich mal bei Borussia am Rheinlanddamm an und miete ein paar Meter Werbebande."

Bei allen scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten, die die Digitalisierung heute schon bietet und morgen bieten wird: Für den BVB-Geschäftsführer hat alles seine Grenzen. Zwar geht er davon aus, dass in Zukunft noch viel mehr Werbeflächen im Stadion digital und damit vernetzt und zentral gesteuert sein werden. Ein "Mehr, mehr, immer mehr" schließt er aber aus. "Wir werden keine blinkende und flackernde Werbe-Show abfahren wie in Las Vegas. Das wäre nicht mehr Borussia Dortmund. Wir müssen da ganz sensibel auf die richtige Balance achten!"