Der Pokal, sagt der Volksmund, habe seine eigenen Gesetze. Doch noch unberechenbarer sind die Derbys im Revier. Dass der Favorit gewinnt: kommt mal vor. Dass der vermeintlich sichere Sieger am Ende mit hängenden Köpfen den Platz verlässt: mehr als einmal passiert. Eine ganz besondere Geschichte liefert das Derby von 2008.

Bild
Man muss nur an sich glauben.

Es läuft die 63. Minute, als Kevin Kuranyi, Stürmer des FC Schalke 04, im Strafraum vor der Nordtribüne frei zum Kopfball kommt – und aus fünf Metern die Riesenchance zum 4:0 für die Gäste verpasst.

Seit 18 Minuten ist Alexander Frei in dieser Partie. Es ist sein erstes Spiel nach längerer Verletzungspause; und kaum einer der 80.552 Zuschauer an jenem sonnigen August-Nachmittag im ausverkauften Signal Iduna Park würde auch nur einen Cent darauf verwetten, dass der Sieger an diesem Tag nicht Schalke 04 heißen würde. 3:0 führen die Knappen durch Tore von Farfan, Rafinha und Westermann. Genau 27 Minuten sind noch zu spielen.

Vier Minuten nach Kuranyis vergebener Großchance gibt es Eckball für Borussia Dortmund: Alexander Frei schlägt die Kugel an den zweiten Pfosten, genau auf den Kopf von Innenverteidiger Neven Subotic – und es heißt 1:3. Der Erste, der an eine Wendung glaubt, ist Stadionsprecher Norbert Dickel. Im Netradio fragt er: „Geht da noch was?“

Und was da noch geht!

Alex Frei ist heiß wie Frittenfett. „Jürgen hat mir bei meiner Einwechselung diesen famosen Spruch mit auf den Weg gegeben. Er hat mich umarmt und gesagt, in solchen Spielen werden Helden geboren“, sagt der Schweizer in einem Interview mit schwatzgelb.de. In Minute 70 nagelt er den Ball aus 20 Metern in den Giebel. Borussia verkürzt nach 0:3-Rückstand auf 2:3. 20 Minuten sind noch zu spielen, das Stadion ist längst ein Tollhaus, und der Gegner zeigt Nerven. Zunächst fliegt Pander mit Gelb-Rot (73.), dann Ernst mit Glatt-Rot (76.). Elf Borussen gegen neun Schalker.

Bis zur 89. Minute hält das königsblaue Bollwerk. Dann gibt es einen Handelfmeter. Alex Frei tritt an und trifft zum 3:3. „Dieses Spiel hat so eine unglaubliche Eigendynamik entwickelt. Dieser Tag war auch für den Fan besonders, es war unmittelbar hintereinander wieder ein großer Stich ins Schalker Herz.“ Gut ein Jahr zuvor hatten die Knappen in Dortmund die Meisterschaft verspielt. Auch damals, im Mai 2007, beim Dortmunder 2:0-Erfolg in krasser Außenseiterrolle, hatte der Schweizer getroffen. Insgesamt viermal in fünf Derbys.

Alexander Frei hat in seinen drei Jahren beim BVB Fußspuren hinterlassen. Und eine Botschaft mit Leben gefüllt: „In solchen Spielen werden Helden geboren.“
Boris Rupert