Neunzig Minuten nach Mitternacht endete die erste internationale Dienstreise der Spielzeit 2019/20, als der Mannschaftsbus endlich das Trainingsgelände Hohenbuschei erreichte. Wegen das Nachtlandesverbots in Dortmund hatte der Mannschaftsairbus Paderborn als Zielflughafen ansteuern müssen.

Mit Tempo 800 km/h und in nur 48 Minuten Flugzeit brachte Kapitän Oliver Lange die prominente Besatzung von Prag nach Paderborn. Bei weitem nicht so schnell, aber in für einem für einen Fußballer atemberaubenden Tempo hatte Achraf Hakimi einige Stunden zuvor, in der 35. Spielminute, einen sehenswerten Konterangriff zum 1:0 für Borussia Dortmund bei Slavia Prag abgeschlossen. Dabei legte der Marokkaner einen Sprint über fast 100 Meter hin: von der eigenen 16-Meter-Linie und nach Doppelpass mit Brandt bis in den Fünfmeterraum des Gegners.

Auch den Treffer zum 2:0-Endstand erzielte Hakimi, wieder nach einem Konter, erneut auf Zuspiel von Julian Brandt. Für sein Heimatland schrieb er am gestrigen Mittwoch Fußballgeschichte: Er ist der erste Marokkaner, dem in der UEFA Champions League ein Doppelpack gelang. Der letzte muss ohnehin viele Jahre zurückliegen. „Das war, als ich noch sehr klein war.“ Marco Reus betonte: „Seine Schnelligkeit ist überragend. Achraf ist eine absolute Waffe für uns.“ Und Michael Zorc ergänzte: „Er hat über die offensive Außenbahn ein überragendes Spiel gemacht und für uns das Spiel entschieden.“

„Das 2:0 hätten wir eher machen können“

Während der eine Kapitän (Oliver Lange, Eurowings) die beim Landeanflug auf Paderborn aufgetretenen Seitenwinde gut im Griff hatte, sagte der andere Kapitän (Marco Reus, Borussia Dortmund) über den Gegenwind, dem sich seine Mannschaft über weite Strecken der zweiten Hälfte auf dem Spielfeld ausgesetzt sah: „Das 2:0 hätten wir eher machen können. So haben wir es spannend gehalten. Aber wir sind zufrieden, dass wir das Spiel gewonnen haben. Wir wissen, dass wir erst über die Zweikämpfe kommen müssen, dass wir konstant präsent sein müssen. Danach kommt das Spielerische, dann können wir sehr gut kombinieren.“

Die Rochade, Achraf Hakimi von der defensiven Außenbahn auf den linken Flügel zu stellen, ging ebenso auf wie der Versuch, Julian Brandt im Angriffszentrum zu platzieren. Dabei war das mathematisch betrachtet nur logisch: Wenn die Nummer 9 (Paco Alcácer) fehlt und die Nummer 10 (Mario Götze) nicht das Startelfmandat erteilt bekommt, dann lautet die einfache Rechnung 9+10=19 (Julian Brandt).

Zorc lobt Favres Schachzüge

„Der Plan vom Trainer ist komplett aufgegangen“, sagte Sportdirektor Michael Zorc: „Julian Brandt hat ganz vorne eine für ihn ungewohnte Rolle gespielt. Er bringt Laufstärke mit, kann mit den anderen kombinieren und hat sich aufgerieben.“ Brandt leitete mit seinen Pässen beide Tore Hakimis ein und auch die XXL-Chance zwei Minuten nach der Pause für Jadon Sancho, der seinen Alleingang jedoch nicht mit einem Torerfolg krönen konnte. Brandt sagte: „Ich bin mit dem Zentrum vertraut, deswegen war meine Position in der Sturmspitze kein großes Problem.“

Rang eins für den BVB in der extrem stark besetzten Gruppe F, drei Punkte Vorsprung auf den als härtesten Konkurrenten um Platz zwei hinter Gruppenfavorit FC Barcelona identifizierten FC Internazionale aus Mailand. Mit einem kleinen Polster geht der BVB in die direkten Duelle am 23. Oktober (zunächst auswärts) und 5. November gegen den Tabellenführer der italienischen Serie A.

Vor Mailand drei Top-Duelle in der Liga

Doch die Königsklasse verschwindet vorerst aus dem Blickfeld: Heute Mittag beginnt die Vorbereitung auf das Bundesligaspiel beim Sport-Club Freiburg. Dort will man am Samstag (Anstoß 15.30 Uhr, live im Netradio) mit einem Sieg verlorenes Terrain aufholen und näher an die Spitze heranrücken. Aktuell sind es drei Punkte Rückstand auf Rang eins. „Prag war ein guter Schritt in die richtige Richtung. Mehr aber auch nicht“, betont Marco Reus vor der Fahrt zum Co-Tabellenzweiten (gleiche Punktzahl und Tordifferenz wie Leipzig).

Nach der „Länderspielpause“ geht es dann in der Liga mit zwei absoluten Top-Spielen weiter: zunächst am 19. Oktober zuhause gegen Borussia Mönchengladbach, eine Woche später in Gelsenkirchen gegen den FC Schalke 04.

Erst danach darf man an Mailand denken.
Boris Rupert