Duelle zwischen Borussia Dortmund und Vereinen von der iberischen Halbinsel haben eine lange Tradition. Auch wenn die Spanier die Mehrzahl der Spiele bislang für sich entscheiden konnten, hat sich der BVB in den entscheidenden Partien meist durchgesetzt.

Von den jetzt 19 Aufeinandertreffen mit spanischen Klubs waren vier K.O.-Duelle. Siegen oder fliegen hieß es vor dem Viertelfinale im Europapokal der Pokalsieger 1966 gegen Atlético Madrid, das bis dato noch nie einer deutschen Mannschaft unterlegen war. Absoluten Play-Off-Charakter und Gänsehautfeeling boten auch die Duelle mit Real Saragossa (1992) und Deportivo La Coruna (1994). Immer setzte sich der BVB durch - einzige Ausnahme war bislang das Halbfinale in der UEFA Champions League im Jahre 1998 gegen Real Madrid.
Unvergessen: Atléticos erstes Aus gegen eine deutsche Elf
Die Vereinschronik schrieb die fünfte Dortmunder Europacup-Saison, als der BVB erstmals auf einen Gegner aus Spanien traf. Im Viertelfinale des Europapokals der

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2. März 1966: Aki Schmidt führt Borussia Dortmund zu einem 1:0-Sieg über Atlético Madrid.

Pokalsieger wartete am 16. Februar 1966 Atletico Madrid, gegen die in der damals noch jungen Europacup-Geschichte noch nie eine deutsche Mannschaft weitergekommen war (ausgeschieden: Schalke 1959, Werder Bremen 1962, 1. FC Nürnberg 1963).
Eine imponierende Borussia brachte aus der spanischen Hauptstadt ein 1:1-Unentschieden mit. In einer packenden Begegnung schoss Lothar Emmerich die Schwarzgelben in der 57. Minute in Führung. Mehr als den 1:1-Ausgleich durch Mendoza drei Minuten vor dem Abpfiff ließ die Abwehr um Wolfgang Paul nicht zu.
Nach der bekannten Europapokal-Arithmetik, wonach Auswärtstreffer bei Torgleichheit "doppelt" zählen, reichte damit im Rückspiel ein 0:0. Entsprechend entwickelte sich ein defensiv geprägtes, miserables Spiel im Stadion Rote Erde, das der BVB schließlich sogar mit 1:0 gewann. Emmerich traf in der 15. Minute. "Dass es kein schönes Spiel würde, wussten wir", kommentierte Trainer Willy "Fischken" Multhaup den Einzug ins Halbfinale. Am Ende dieser Reise standen ein 2:1 nach Verlängerung gegen den FC Liverpool und der Gewinn des Europapokals der Pokalsieger.
Unvergessen: Kutowski und der Turban von Saragossa
Als sich Westfalen und Iberer dann Jahre später im Europacup wiedertrafen, wurde längst mit Farbfilm fotografiert, das Spielgerät war nicht mehr aus Leder, sondern aus einem High-Tech-Material, und die schwarzgelben Stars hießen nicht Preißler, Emmerich oder Tilkowski, sondern Zorc, Chapuisat und Klos.

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8. Dezember 1992: Günter Kutowski schrieb beim Gastspiel in Saragossa Fußballgeschichte

Der sechsfache Pokalsieger Real Saragossa war Deutschlands Fußballfreunden Anfang der 90er Jahre hauptsächlich durch die Verpflichtung von Weltmeister Andy Brehme ein Begriff. Trotzdem kam es den 36.800 Zuschauern am 25. November 1992 im damals zwar ausverkauften, aber noch nicht ausgebauten Stadion an der Strobelallee spanisch vor, wie haushoch überlegen die Platzherren im Achtelfinale des UEFA-Cups agierten.
Chapuisat nutzte gleich die erste Gelegenheit des Spiels in der 12. Minute zur 1:0-Führung, Zorc erhöhte per Foulelfmeter (22.) und Povlsen sorgte mit seinem einzigen Europacup-Tor in Schwarzgelb für den 3:0-Halbzeitstand. Die Mannschaft von Ottmar Hitzfeld zelebrierte phasenweise begeisternden Fußball, doch die Aragonier gaben sich in der zweiten Halbzeit keineswegs geschlagen. Nach einem Freistoß von Brehme besorgte Franco den Anschlusstreffer, die Borussen kamen merklich aus dem Rhythmus, brachten den 3:1-Vorsprung aber sicher über die Zeit.
Das Rückspiel 14 Tage später im Estadio La Romareda bot dank Saragossas Führungstreffers durch Poyet (27.) und wütend vorgetragenen Angriffen der Hausherren eine Stunde lang Hochspannung. Dann erlöste einmal mehr Stéphane Chapuisat die Nerven der strapazierten Dortmunder Anhängerschaft. Der Ausgleichstreffer des Schweizers war gleichbedeutend mit dem Einzug ins Viertelfinale, auch wenn Andreas Brehme in der Nachspielzeit per Elfmeter noch für den 2:1-Heimerfolg der Spanier sorgte. Stoff für Legendenbildung lieferte BVB-Verteidiger Günter Kutowski, der sich eine klaffende Kopfwunde verbinden ließ, weiterspielte, und nach Willi Burgsmüller sowie Dieter Hoeneß als dritter "Turban" in die deutsche Fußball-Geschichte einging.
Unvergessen: Ricken und die Aufholjagd gegen La Coruna
Hatte das erste Aufeinandertreffen zwischen Dortmundern und Spaniern bereits für die beschriebene Hochspannung gesorgt, so besaß das Duell des BVB gegen Deportivo La Coruna im Jahr 1994, ebenfalls im Achtelfinale des UEFA-Cups, alle Eigenschaften eines guten Thrillers.

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6. Dezember 2004: Freund, Möller, César und Zorc stürzen sich auf Schmidt und den Torschützen Ricken.

Im Hinspiel in Galizien waren die Borussen zwar die bessere Mannschaft, doch Matthias Sammer traf mit seinem spektakulären 30-Meter-Freistoß nur den Pfosten, während ein verunglückter Schuss des früheren brasilianischen Weltmeisters Bebeto den Weg in das Dortmunder Tor fand. Trotzdem - die 0:1-Hinspielniederlage bot dem BVB eine günstige Ausgangsposition für das zweite Treffen im Westfalenstadion am Nikolausabend 1994.
50 Minuten dauert es, bis Kapitän Michael Zorc für die übernervös agierenden Borussen das Hinspiel-Tor der Spanier egalisieren kann. Zwei Pfostentreffer und einige erstklassige Einschussmöglichkeiten für Deportivo tragen nicht zur Nervenberuhigung bei, doch nach Ablauf der regulären Spielzeit führt der BVB nach wie vor mit 1:0. In der zwölften Minuten der Verlängerung stürzt Alfredo mit seinem Ausgleichstreffer die Zuschauer an der Strobelallee in tiefe Depression. Eine Minute vor dem Ende der Verlängerung steht es dank eines Riedle-Treffers in der 116. Minute 2:1 für die Borussen. Aufgrund der Europacup-Arithmetik reicht das den Spaniern zum Einzug ins Viertelfinale. In der 119. Minute geschieht, worauf alle hoffen, und woran kaum einer mehr glaubt. Der erst 18 Jahre alte Lars Ricken fasst sich ein Herz und jagt den Ball in buchstäblich letzter Sekunde ins Deportivo-Tor. Der Tempel steht Kopf, der BVB ist eine Runde weiter und Dortmunds Nikolaus heißt Lars.
Unvergessen: Die Nacht, in der in Madrid ein Tor umfiel
Am 1. April 1998 schrieb eine Höhe von 2,44 Metern ein Stück Fußball- und Fernsehgeschichte, weil sie nicht mehr 2,44 Meter hoch war, sondern auf Grasnarben-Niveau zusammensackte. Ein Ereignis, das als der "Torfall von Madrid" im Gedächtnis geblieben ist und als der Höhepunkt des ersten Zusammentreffens zwischen dem spanischen Rekordmeister Real Madrid und Borussia Dortmund in der UEFA Champions League zu gelten hat.

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1. April 1998: In Madrid kippt ein Tor um.

Unmittelbar vor dem Anpfiff des ersten Halbfinal-Spieles zwischen beiden Klubs im Bernabeu-Stadion hatten die berüchtigten sogenannten "Ultrasur-Fans" von Real Madrid die Verbindungsstangen zwischen Tor und dem Begrenzungszaun eingerissen, woraufhin das Gehäuse vor der südlichen Tribüne zusammenbrach.
Der Auftakt zu langwierigen Bemühungen, einwandfreie Spielbedingungen wieder herzustellen und zu einem köstlichen verbalen Doppelpass-Spiel zwischen den beiden damaligen RTL-Reportern Marcel Reif und Günter Jauch, das später mit zahlreichen Fernsehpreisen ausgezeichnet wurde. So demonstrierte beispielsweise Jauch anschaulich die Höhe einer Querlatte, während Reif angesichts der vergeblichen handwerklichen Bemühungen der Offiziellen die Reporter-Floskel "ein Tor würde dem Spiel gut tun" mit neuem Leben erfüllte.
Nach Ablauf der amüsanten 76 Minuten Wiederaufbauphase folgten minder vergnügliche 90 Minuten Halbfinal-Fußball der Königsklasse, in denen sich die Rumpf-Elf des BVB zwar tapfer zur Wehr setzte, aber gegen abgeklärte Madrilenen durch Tore von Morientes und Karembeu mit 0:2 unterlag. 14 Tage später trennten sich der erneut stark ersatzgeschwächte Champions-League-Titelverteidiger BVB und sein Nachfolger Real im Westfalenstadion torlos.
Martin Baumeister / Boris Rupert