Seit 50 Jahren spielt der Hamburger SV ununterbrochen in der Bundesliga, doch zum Jubiläum kam die Mannschaft nur schwer aus den Startlöchern. An den ersten drei Bundesliga-Spieltagen holte sie nur einen Punkt. Den ersten Sieg fuhr der HSV vor zwei Wochen gegen Eintracht Braunschweig ein.

Bild

Ende August gab es in Hamburg etwas zu feiern. Während die Profis in Berlin Bundesliga-Punkten hinterher jagten, waren ein paar Fans ins eigene Stadion gekommen. Dort zeigt eine Uhr an, wie lange der Verein bereits in der Bundesliga spielt, und an jenem Nachmittag sprang sie auf exakt 50 Jahre. Der Bundesliga-Dino, der als einziger Verein alle Spielzeiten mitgemacht hat, startet traditionell mit großen Ambitionen in jede neue Saison, doch davon war in diesem Jahr auf dem Platz zunächst nicht so viel zu sehen.
Ein munteres 3:3 zum Auftakt auf Schalke machte Mut, doch es folgten eine 1:5-Heimklatsche gegen die TSG 1899 Hoffenheim und ein 0:1 in Berlin. Anschließend rumorte es g an der Elbe, das Umfeld wurde unruhig, Investor Klaus-Michael Kühne forderte einen Umbruch. "Wir sind nicht in der Lage, noch ein Spiel zu verlieren oder nur einen Punkt zu holen", so Trainer Thorsten Fink. Vom Saisonziel Europa League wollte er unterdessen nicht abrücken. Nach Platz sieben im Vorjahr hatte er den internationalen Wettbewerb vor Saisonbeginn als "logisches Ziel" ausgegeben. Im April 2010 beim Halbfinal-Aus in der Europa League war der HSV zuletzt international vertreten.
Doch für den Angriff auf Europa muss Fink auf seinen besten Angreifer der vergangenen Saison verzichten. Der zwölfmalige Torschütze Heung-Min Son wurde für eine Ablöse von 10 Mio. Euro nach Leverkusen transferiert. Sportlich schmerzt der Verlust zwar, doch angesichts der angespannten finanziellen Situation kann der Verein den Geldsegen gut gebrauchen. Von den bekannten Namen verließ kurz vor Ende der Wechselperiode außerdem Dennis Aogo die Hansestadt, der nach einem Kurztrip nach Mallorca im Anschluss an die Hoffenheim-Niederlage in Ungnade gefallen war.

Bild
Thorsten Fink und Jürgen Klopp

Mit Blick auf die klamme Kasse fiel das Re-Investment der Transfererlöse entsprechend niedrig aus. Für den Angriff kam Jacques Zoua vom FC Basel. Im Mittelfeld setzt man große Stücke auf Hakan Calhanoglu, der bereits vor einem Jahr verpflichtet worden war und anschließend an den Karlsruher SC ausgeliehen wurde. "Er wird keine ein, zwei Jahre Anlauf in der Bundesliga benötigen, sondern Zeichen setzen", glaubt der neue Sportchef Oliver Kreuzer, der Frank Arnesen ersetzt. Vom BVB kamen Innenverteidiger Lasse Sobiech sowie Mittelfeldspieler Kerem Demirbay und bilden mit Tolgay Arslan, der bereits seit 2011 das Trikot des HSV trägt, das Trio der Ex-Borussen. Ebenfalls für die Innenverteidigung wurde Johan Djourou vom FC Arsenal ausgeliehen. Der Abwehrspieler fiel jedoch zu Saisonbeginn nach einer Leisten-OP aus und feierte sein Debüt erst am vierten Spieltag beim Heimspiel gegen Eintracht Braunschweig.
Und eine Woche nach der Sache mit der Uhr konnten die Hamburger schon wieder feiern: den ersehnten ersten Saisonsieg. Als ob die Fans es geahnt hatten, rollten sie vor Spielbeginn ein Transparent mit dem Schriftzug "50 Jahre Bundesliga und immer noch hungrig" aus. Die Mannschaft ließ mit einer starken Leistung Taten sprechen. Mit 4:0 wurde Aufsteiger Eintracht Braunschweig wieder nach Hause geschickt. Hamburg bog mit zwei schnellen Treffern frühzeitig auf die Siegerstraße ein und kontrollierte die Partie, bis der große Auftritt von Hakan Calhanoglu kam. Mit dem ersten Ballkontakt nach seiner Einwechslung traf er zum 3:0, den letzten Treffer des Tages erzielte er mit einem direkt verwandelten Freistoß - ein Doppelpack in elf Minuten Einsatzzeit und für den Neuzugang "eine Sensation". Voller Erleichterung trat Fink nach dem Befreiungsschlag vor die Presse: "Es war wichtig, dass wir gewonnen haben, sonst hätten wir weiter Unruhe gehabt." So aber konnte der HSV mit einem positiven Ergebnis in die Länderspielpause gehen.
Christina Reinke