In Hans Tilkowski, Reinhold Wosab, Franz Brungs, Lothar Geisler, Wolfgang Paul, Wilhelm Burgsmüller und Theo Redder hatte der BVB vor dem Spiel sieben der „Helden von 1963“ auf den Rasen gebeten. Vielleicht war es die Anwesenheit dieser schwarzgelben Legenden, vielleicht war es auch die fantastische Choreografie der Südtribüne: In jedem Fall schaffte es die Mannschaft von Borussia Dortmund einen weiteren, denkwürdigen Europapokalabend zu erschaffen – mit dem Einzug ins Viertelfinale als verdientem Lohn.

Bild
BVB-Legenden unter sich: Hans Tilkowski, Reinhold Wosab, Franz Brungs, Lothar Geisler, Wolfgang Paul, Wilhelm Burgsmüller und Theo Redder (v.l.n.r.). Ganz links im Bild BVB-Teammanager Fritz Lünschermann.

Und schaut man auf die Namen, die den BVB dort im April erwarten werden, so ist der nächste denkwürdige Abend schon in Sichtweite. Neben den Schwarzgelben ist in Real Madrid, dem FC Barcelona und dem FC Bayern genau das Quartett schon für die Runde der letzten Acht qualifiziert, das 2013 – als es am Ende zum deutschen Finale im Wembley kam – das Halbfinale ausspielte. Hinzugesellen könnten sich nach den abschließenden Achtelfinal-Partien nächste Woche so klangvolle Namen wie der Manchester City, Atletico Madrid oder Juventus Turin – um nur drei der möglichen Mannschaften zu nennen. Der BVB hat sich in den letzten Jahren im Kreise dieser großen Namen etabliert, steht zum sechsten Mal in der Vereinsgeschichte und zum dritten Mal in den zurückliegenden fünf Jahren im Viertelfinale der UEFA Champions League.

„Erreichen unsere Ziele nur mit Auba in Top-Form“

Bild

„Einen Wunschgegner habe ich nicht“, sagte Thomas Tuchel nach dem Spiel angesichts der möglichen Gegner, die auf ihn und seine Mannschaft warten. Einzig ein deutsches Duell mit den Bayern oder Leverkusen würde er lieber vermeiden. „Nicht, weil wir Angst hätten. Aber wir wollen uns international messen, wir wollen reisen und Stadien in Europa kennenlernen.“ Der BVB-Coach hatte gegen Lissabon eine – trotz der frühen Führung – durchwachsene erste Halbzeit seiner Mannschaft gesehen. „Wir haben nach dem 1:0 zu früh nach Lösungen gesucht, zu früh über außen gespielt, die Zehnerpositionen nicht gefunden und Zweikämpfe verloren. Es war eine Mischung aus allem, nie so richtig schlecht, aber der Rhythmus war weg.“

Nach der Pause habe seine Mannschaft dann die Schlagzahl erhöht, kompakter gestanden und die Sicherheit durch Balleroberungen gewonnen. Eins führte zum anderen, und spätestens nach dem Doppelschlag durch Christian Pulisic (59.) und Pierre-Emerick Aubameyang (61.) kamen kaum noch Zweifel auf, wer das Viertelfinale am Ende erreichen würde. Die beiden Torschützen waren es auch, die der Coach nach dem Spiel besonders lobte. „Das Besondere ist, dass er kritikfähig ist“, sagte er über Pulisic, der vor der Pause etwas abgetaucht war, danach dann aber umso mehr aufdrehte. „Zusammen mit dem Team hat er eine außergewöhnliche zweite Hälfte gespielt“, so Tuchel, der über Aubameyang ein weiteres Mal sagte: „Unsere Ziele erreichen wir nur mit ihm in Top-Form.“

Bild
Die Südtribüne hatte eine fantastische Choreografie zum Einlauf vorbereitet.

BVB hat den Rhythmus zum richtigen Zeitpunkt gefunden

Der Gabuner unterstrich mit seinen drei Toren diese These des Trainers. Nach dem Spiel nahm er – wie immer, wenn er in einem Spiel dreimal trifft – den Ball mit nach Hause. „Der ist für meine Kinder“, ließ er mit einem Grinsen wissen, ehe auch er die fantastische Stimmung im SIGNAL IDUNA PARK lobte: „Die Atmosphäre in unserem Stadion ist verblüffend, auch heute war es wieder verrückt, was die Fans auf die Beine gestellt haben.“ Nach dem Hinspiel sei er sehr traurig gewesen. „Ich wollte zeigen, dass ich das viel besser kann“, sagte Aubameyang. Er tat es. Mit sieben Toren in sieben Spielen steht er nun in der Torjägerliste der Champions League auf Platz drei hinter Lionel Messi (11/7) und Edinson Cavani (8/8) - und wie in der Liga vor Robert Lewandowski, der zwar auch sieben Mal traf, dafür aber acht Spiele benötigte.

Bild
Er zeigt es an: Drei Tore in einem Spiel gelangen Pierre-Emerick Aubameyang.

Vier deutliche Siege mit einem Torverhältnis von insgesamt 16:2 stehen für Borussia Dortmund nun aus den letzten vier Spielen in Liga und Königsklasse zu Buche. Der Rhythmus scheint endlich gefunden, das Selbstvertrauen der Mannschaft ist da. „Wir sind jetzt voll in unseren Abläufen drin und wissen, dass wir und Torchancen erspielen werden“, sagte Julian Weigl. Der BVB ist derzeit in Top-Form, und das genau zum richtigen Zeitpunkt dieser Saison, denn die heiße Phase steht erst noch bevor.

Sechs-Punkte-Spiel gegen Hertha BSC

Bild

Schon am Samstag wartet Hertha BSC in der Bundesliga, keine minder schwere Aufgabe, zeichnet sich die Mannschaft von Pal Dardai in dieser Saison doch durch große Konstanz aus. Kein Zweifel: Die Berliner sind ein direkter Gegner um die Champions-League-Plätze. Ein echtes Sechs-Punkte-Spiel steht auf dem Programm, schließlich könnte man den Abstand auf die Hauptstädter mit einem Sieg auf neun Punkte ausbauen, bei einer Niederlage aber auch auf drei Punkte eindampfen. Knifflig, da die Konzentration hochzuhalten – gerade nach einem solch glanzvollen Abend wie dem gegen Lissabon.

Thomas Tuchel und seine Mannschaft werden sich dessen bewusst sein. Denn nach Hertha geht es direkt weiter. Es folgen die Sportfreunde Lotte im Pokal und dann wieder in der Liga: Ingolstadt, Schalke, Hamburg und die Bayern. Sechs knackige Gegner in vier wirklich richtungsweisenden Wochen bis Mitte April. Vier Tage nach dem Duell mit dem den Bayern steht dann das Viertelfinale in der Königsklasse auf dem Programm. Gegner noch offen. Ausgelost wird kommende Woche Freitag. Borussia Dortmund aber scheint derzeit für all diese Aufgaben gerüstet…
Dennis-Julian Gottschlich