Kevin Großkreutz ist ein "Dortmunder Junge", wie er von sich sagt. Selbst als er bei Rot Weiß Ahlen in der zweiten Bundesliga kickte, unterstützte er seine Borussia noch als Fan von der Tribüne aus. Die schwarzgelbe Leidenschaft wurde ihm quasi in die Wiege gelegt: "Wir sind alle positiv bekloppt, was den BVB angeht", so Großkreutz über sich und seine Familie. Im Interview mit BORUSSIA AKTUELL spricht der Neuzugang aber auch über seine Ziele in dieser Bundesligasaison und eine Äußerung, die vor der Saison für viel Wirbel gesorgt hatte.

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Antrittschnell: Kevin Großkreutz kann alle offensiven Positionen spielen.

Kevin, zwei Spiele der neuen Saison liegen hinter euch. Dem 1:0-Auftaktsieg gegen den 1. FC Köln folgte eine bittere Niederlage beim Hamburger SV. Wie bewertest du den Saisonstart von Borussia Dortmund?
Großkreutz: "Das erste Spiel war wichtig. Wir sind gut gestartet, waren ganz klar die bessere Mannschaft und haben toll gekämpft. In Hamburg lagen wir bereits nach zwölf Minuten mit 3:1 in Rückstand. Danach sind wir nicht mehr ins Spiel gekommen, obwohl wir in der zweiten Halbzeit noch gekämpft haben. Jetzt stehen drei Punkte auf unserem Konto. Gegen Stuttgart muss ein Sieg her."
Du hast gegen den Hamburger SV 90 Minuten auf der Bank gesessen. Konnte man von außen erkennen, was falsch lief?
Großkreutz:"Wir waren nicht aggressiv genug und zu weit von den Gegenspielern weg. Die Hamburger hatten zu viele Räume, wir haben unsere dagegen nicht genutzt."
Warum klappt es gegen Stuttgart mit dem Sieg?
Großkreutz:"Auf jeden Fall bin ich optimistisch, dass es gegen Stuttgart wieder anders laufen wird. Wie gegen Köln, wo wir aggressiv und eng dran waren. Wir wollen gegen den VfB wieder guten Fußball spielen und unseren Zuschauern etwas bieten."
Du hast eine super Vorbereitung gespielt, sämtliche Journalisten waren beeindruckt. Welche Ziele hast du dir für deine erste Saison in der 1. Bundesliga gesteckt?
Großkreutz:"Erst einmal möchte ich im Training und an den Spieltagen möglichst viel von den älteren Spielern lernen. Natürlich hoffe ich auch, so viele Einsätze wie möglich zu bekommen und irgendwann in der Startelf zu stehen. Dafür arbeite ich, bin gleichzeitig aber geduldig. Wenn ich erst einmal Kurzeinsätze bekommen, ist das auch okay. Aber jeder Fußballer will natürlich spielen, das ist ja normal."
Auf welcher Position siehst du dich langfristig, im Sturm oder im offensiven Mittelfeld?
Großkreutz:"Offensiv kann ich, wie der Trainer auch schon gesagt hat, alle Positionen spielen. Das ist ein kleiner Vorteil für mich. In Ahlen habe ich immer rechts oder links gespielt, hier in der Vorbereitung öfter im offensiven Mittelfeld, was auch ganz gut klappte. Aber mein Leitspruch ist: Egal wo der Trainer mich aufstellt, ich gebe immer Gas für den Verein."
Du hast also keine bevorzugte Position?
Großkreutz:"Nein."

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Das Talent und sein Förderer: Kevin Großkreutz, Jürgen Klopp.

Sowohl im offensiven Mittelfeld als auch im Sturm misst du dich mit großen Namen um die freien Plätze. Wie siehst du dich positioniert?
Großkreutz:"Der Konkurrenzkampf ist auf jeden Fall groß. Man muss beim Training immer alles geben und sich dem Trainer zeigen. Ich denke aber, dass ich ganz gute Chancen zumindest auf Kurzeinsätze habe, da ich eine gute Vorbereitung gespielt und immer gut trainiert habe."
Du hast vor der Saison mit einer Äußerung gegenüber dem blauweißen Lieblingsgegner aller Dortmunder Fans für viel Wirbel gesorgt. Wie denkst du heute über diese Geschichte?
Großkreutz:"Diese Sache war vielleicht ein Fehler. Man äußert gegenüber der Presse etwas, und dann wird das direkt abgedruckt. Für mich als Dortmunder Junge ist das Derby einfach das Größte und Wichtigste. Den Gegner mag ich eben nicht unbedingt. Diese Äußerung würde ich heute nicht wiederholen, trotzdem stehe ich dazu. So ist das eben für einen Dortmunder Jungen, da spreche ich für jeden BVB-Fan."
Was hältst du als BVB-Fan und junger Spieler von der Philosophie von Borussia Dortmund, konsequent auf talentierte Nachwuchsspieler zu setzen?
Großkreutz:"Der Trainer Jürgen Klopp passt natürlich super zu diesem Konzept, weil er gut mit jungen Spielern umgehen kann und diese fördert. Das war in der letzten Saison schon so und hat prima geklappt. Ich bin immer zufrieden nach Hause gegangen."
Du sprichst es an: In der letzten Saison warst du selber noch oft als Fan im Stadion. Bei wie vielen Spielen hast du den BVB von der Tribüne unterstützt?
Großkreutz:"Auswärts bei fünf, zu Hause bei acht oder neun Spielen. Ich war dann immer mit meinen Kollegen unterwegs. Wir waren so 40, 50 Mann."
Obwohl du selber in der zweiten Liga für Rot Weiß Ahlen Profifußball gespielt hast. Gab es da keine Schwierigkeiten mit dem Verein?
Großkreutz:"Wir haben oft freitags gespielt. Das war super für mich: Dann hatte ich am Samstagmorgen Auslaufen und bin danach direkt zu den Spielen gefahren. Einer aus meiner Mannschaft war genauso bekloppt wie ich: Sascha Brinker. Mit ihm war ich zum Beispiel auch beim Auswärtsspiel in Bremen. Wir sind beide große BVB-Fans."

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Ab durch die Mitte: Großkreutz nimmt es auch mal mit drei Gegnern auf.

Dann beschreib einmal: Für dich ist ein Traum in Erfüllung gegangen, den Tausende kleiner Jungs träumen. Früher standest du auf der Tribüne, gegen Köln durftest du dann selber für deinen Lieblingsverein in der Bundesliga spielen. Wie war das?
Großkreutz:"Wenn man einläuft, sich warm macht und auf die Gelbe Wand schaut, ist das natürlich das Größte. Die Fans sind die besten in Dortmund. Etwas Geileres gibt es nicht. Wenn man dann auch noch eingewechselt wird, bekommt man eine Gänsehaut. Schon vorher habe ich mich riesig gefreut und konnte in der Nacht nicht richtig schlafen."
Du hast dich in der Jugend beim BVB nicht durchsetzen können, bist mit 14 Jahren nach Ahlen gegangen. Hast du damals ans Aufgeben gedacht?
Großkreutz:"Nein, ich habe immer an mich geglaubt. Die sieben Jahre taten richtig gut, Ahlen hat mich enorm gefördert. Ich habe dem Verein viel zu verdanken."
Was hast du in Ahlen gelernt?
Großkreutz:"Wenn man so jung zu einem Verein kommt, lernt man dort natürlich fast alles. Außerdem habe ich früh Erfahrung sammeln dürfen. Als A-Jugendlicher durfte ich schon beim Training in der Zweitligamannschaft dabei sein, später dann in der Regionalliga spielen. Man hat mich dort immer gefördert."
Du hast dich in Ahlen als Stammspieler in der zweiten Liga etabliert. Fiel dir die Entscheidung, nach Dortmund zu wechseln, schwer?
Großkreutz:"Nein, ich habe sofort zugesagt. Ich hatte auch noch andere Angebote, aber wenn sich die Möglichkeit bietet, geht man natürlich zu Borussia Dortmund."

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Woher kommt deine Begeisterung für diesen Verein?
Großkreutz:"Mein Vater hat mich schon, als ich noch vier Jahre alt war, mit ins Stadion genommen. Er steht selber schon seit 34, 35 Jahren auf der Südtribüne. Es liegt halt in der Familie: Wir sind alle positiv bekloppt, was den BVB angeht. Wir haben schon vieles mitgemacht."
Was war dein größtes Erlebnis als Fan?
Großkreutz: "Ganz eindeutig der Derbysieg im Jahr 2007. Da stand ich auf der Südtribüne, das werde ich nie vergessen. Aber natürlich denke ich gerne an die Meisterschaften 1995, 1996 und 2002, aber auch an den Champions-League-Sieg 1997 zurück. Das vergisst man natürlich nicht so schnell, ebenso wie den Sieg gegen Mailand oder das UEFA-Cup-Finale in Rotterdam."
Du bist ein echter "Dortmunder Junge", macht sich das im Umgang mit den Fans bemerkbar?
Großkreutz: "Ich bin sehr locker, was das angeht. Mit vielen Fans stand ich ja noch gemeinsam auf der Tribüne. Das sind meine Kollegen, und so benehme ich mich auch."
Du wohnst bei deinen Eltern im Stadtteil Eving. Kannst du noch unerkannt durch die Dortmunder Innenstadt laufen?
Großkreutz: "In der Innenstadt erkennen mich mittlerweile viele, in Eving kannte ich schon vorher fast alle. Es herrscht natürlich eine Rieseneuphorie, in Hamburg war fast ganz Eving dabei."
War Eving trauriger wegen der Niederlage oder wegen der Tatsache, dass du nicht gespielt hast?
Großkreutz: "Die Leute sehen das realistisch. Natürlich würden die sich freuen, wenn ich spiele, aber sie wissen auch, dass ich ein junger Spieler bin und der Konkurrenzkampf groß ist."
Das Interview führte Johannes Vorspohl