Sven Bender ist bei Borussia Dortmund einer der Senkrechtstarter der vergangenen Wochen. Die Chance, den verletzen Kapitän Sebastian Kehl zu vertreten, hat der Neuzugang am Schopfe gepackt. Seitdem beeindruckt Bender auf der Position vor der Abwehr als Stabilisator und Impulsgeber im defensiven Mittelfeld.

Acht Punkte hat der BVB in den vier Partien geholt, in denen Bender mitgewirkt hat. Doch sich selbst sieht der 20-Jährige gar nicht so gerne im Mittelpunkt, wie er unterstreicht: "Die komplette Mannschaft hat für diesen Erfolg gesorgt." Im Interview mit BORUSSIA AKTUELL spricht Bender über sich und seinen Zwillingsbruder Lars, der für Bayer Leverkusen die Fußballschuhe schnürt, die lehrreichen ersten vier Monate in Dortmund und seinen großen Ehrgeiz, immer das Maximale zu wollen.

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Bruderkampf in der BayArena: Sven und Lars Bender wahrten mit dem 1:1 den Familienfrieden...

Musst du dich manchmal selber kneifen?
Bender: "Warum?"
Du bist in Windeseile Stammspieler geworden - wahrscheinlich viel, viel schneller, als du vor deinem Wechsel zum BVB gedacht hast...
Bender:"Ich sehe mich noch nicht wirklich als Stammspieler in dieser Mannschaft. Es ist angesichts der vielen Verletzten vielmehr die Chance, mich zu zeigen und mich anzubieten. Das läuft im Moment ganz ordentlich."
"Ganz ordentlich", sagst du. Immerhin hast du vier Mal für den BVB gespielt, das Team hat in diesen Spielen acht Punkte geholt.
Bender: "Das an Einzelnen festzumachen, ist nicht richtig. Die komplette Mannschaft hat für diesen Erfolg gesorgt."
Was läuft im Moment anders als zu Saisonbeginn?
Bender: "Wir stehen jetzt viel kompakter und enger. Dass wir vorne immer wieder gut für ein Tor sind, wissen wir. Daher spielen wir aus einer gesicherten Defensive guten Offensivfußball. So haben wir diese acht Punkte geholt."
Beim 1:1 gegen Bayer 04 Leverkusen hast du zum ersten Mal gegen deinen Zwillingsbruder und besten Freund Lars gespielt. Wie war das?
Bender: "Das war natürlich im ersten Moment eine besondere Situation, dass er auf der anderen Seite stand und wir gegeneinander gespielt haben. Aber im Prinzip war es ein Spiel wie jedes andere auch, weil man sich keine Gedanken darüber machen kann, ob der Bruder auf der anderen Seite steht oder nicht."
Aber ihr habt ihr euch doch sicherlich unterhalten vor und nach der Partie...
Bender: "Wir haben uns damit relativ zurückgehalten, da diese Partie und das Duell zwischen uns schon vorher von den Medien so aufgebauscht worden war."

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Voller Einsatz: Sven Bender trennt den Hannoveraner Didier Ya Konan vom Ball.

War das Unentschieden gegen Leverkusen am Ende leistungsgerecht?
Bender:"Es war bitter, dass wir durch eine Standardsituation den Ausgleich kassiert haben. Sonst wären drei Punkte gar nicht so unverdient gewesen. Bis auf die Großchance von meinem Bruder in der zweiten Minute hat Leverkusen kaum zwingende Chancen herausgespielt. Wir haben 1:0 geführt, also hätten wir auch gewinnen können."
Immerhin bleibt durch das Unentschieden der Familienfrieden bestehen, denn weiterhin hat keiner von euch Bender-Brüdern ein Spiel in der ersten Liga verloren.
Bender(lacht): "Das ist doch gar nicht so verkehrt."
Ihr spielt beide auf der Position vor der Abwehr. Nach dem direkten Vergleich - wer ist der bessere von euch?
Bender:"Es gibt einen schönen Satz: Das sollen andere beurteilen. Keiner von uns hat bisher von sich behauptet, der bessere zu sein. So soll es auch bleiben, denn mit dieser Strategie sind wir ganz gut gefahren."
Hattet ihr eigentlich kurz darüber nachgedacht, eine Wohngemeinschaft in der Mitte zwischen Leverkusen und Dortmund aufzumachen, zum Beispiel in Wuppertal?
Bender(lächelt): "Das war nicht wirklich ein Thema für uns. Durch die Entfernungen und den Verkehr im Ruhrgebiet würde das relativ schwierig. Vor allem aber bin ich sieben, acht Wochen vor Lars nach Nordrhein-Westfalen gekommen. Bei ihm war es lange Zeit nicht sicher, ob er schon zu dieser Saison nach Leverkusen wechseln würde. Als er kam, hatte ich meine Wohnung schon."
Du wohnst nicht nur zum ersten Mal getrennt von deinem Bruder, sondern auch alleine. Wie ist das für dich?
Bender:"Natürlich wird man selbständiger, da man alles alleine regeln muss. Das ist für die Persönlichkeit enorm wichtig. Mein Wechsel war also auch privat der richtige Schritt. Wenn du im Privatleben an deiner Persönlichkeit arbeitest, machst du das auf dem Platz automatisch auch."
Was unterscheidet dich und Lars, abgesehen von den Qualitäten auf dem Fußballplatz?
Bender: "Das ist schwierig zu beantworten. Mit der Zeit, wenn die Leute uns besser kennen, spiegeln sich unsere unterschiedlichen Charaktere heraus."
Wie würdest du deinen Charakter beschreiben?
Bender:"Sehr ehrgeizig, aber auch für Späße zu haben. Gerade außerhalb des Fußballplatzes muss man eine gewisse Lockerheit haben. Aber wenn es um die Sache geht, bin ich absolut motiviert und will alles geben."

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Dynamisch: Sven Bender

Woher kommt dieser Ehrgeiz? Du hast einmal gesagt, euer Vater hätte euch früher getriezt.
Bender:"Das stimmt. Von klein auf wurden wir von unserem Vater hart rangenommen. Das ist keine schlechte Sache. Daher haben wir von Anfang an mitbekommen, dass wir immer 100 Prozent geben und versuchen, das Maximum herauszuholen."
Warum bist du zum BVB gewechselt?
Bender:"Ich fand den Verein schon immer sympathisch. Die Fankultur in Dortmund ist einfach der Wahnsinn. Wenn man die Chance hat, für einen solchen Topklub in Deutschland zu spielen, sollte man sie wahrnehmen. Zum jetzigen Zeitpunkt muss ich sagen, dass ich sehr froh bin, diesen Schritt getan zu haben."
Deine Erwartungen haben sich also erfüllt?
Bender:"Ja, absolut."
Du bist seit ungefähr vier Monaten hier. Was hast du in dieser Zeit gelernt?
Bender: "Mit Sicherheit habe ich mich an das direktere und temporeichere Spiel gewöhnt. Aber auch durch das Training habe ich einiges gelernt. Man trainiert hier täglich mit klasse Spielern, die eine enorme Qualität besitzen. Das merkt man in jeder Einheit, in jedem Spiel."
Wie läuft dieses Lernen ab, holst du dir Tipps von den Mitspielern?
Bender: "Natürlich helfen die älteren Spieler, wenn sie mit dir reden. Aber man kann schon durch das Abgucken im Training viel lernen. Wenn man zum Beispiel sieht, wie andere mit einer Situation umgehen, in der es hektisch wird, dass sie dann clever und cool am Ball bleiben - so etwas versucht man sich abzuschauen. Denn Ruhe und Cleverness fehlen mir noch ein bisschen."
Welche Bedeutung hat Jürgen Klopp für dich und deine Entwicklung?
Bender: "Auf mich wirkt er sehr leidenschaftlich. Auf dem Platz versuche ich, mit dem gleichen Engagement und der gleichen Leidenschaft in die Spiele zu gehen. Er vermittelt einfach dieses pure Leben für den Fußball. Das finde ich richtig gut."

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Sven Bender und Jürgen Klopp

Nimmt es dir den Druck, dass so viele andere junge Spieler mit dir auf dem Platz stehen?
Bender: "Was heißt Druck? Auf dem Platz ist es nicht entscheidend, ob man jung oder alt ist. Natürlich sind die älteren Spieler enorm wichtig, um die jüngeren zu leiten. Aber wir haben auch zahlreiche junge Spieler, die viel Erfahrung in der ersten Bundesliga gesammelt."
Zwischen dem Spiel in Mönchengladbach und der Partie gegen Bochum bist du zur U20-Weltmeisterschaft nach Ägypten gereist. Warum wolltest du unbedingt dabei sein?
Bender: "Ich denke, dass der Zeitpunkt dies angesichts der Bundesligapause zugelassen hat. Es war eine schöne Sache. An einer Weltmeisterschaft kann man nicht jeden Tag teilnehmen. Daher war ich sehr froh, dass mir der BVB die Chance gegeben hat, diese zwei Spieler zu bestreiten."
Kannst du es nachvollziehen, dass viele andere Vereine ihre jüngeren Spieler nicht haben gehen lassen?
Bender: "Jein. Da ist nicht einfach zu beantworten. Wenn jemand Stammspieler und unverzichtbar für seinen Verein ist, ist das kein Thema. Im Nachhinein ist es aber schwierig zu entscheiden, ob alle Stammspieler waren und wirklich nicht nach Ägypten fahren konnten. Ich denke, dass eine paar andere dieses Problem vielleicht so wie ich hätten lösen können."
U20-Trainer Horst Hrubesch sprach von einer schwierigen Umstellung angesichts der Temperaturunterschiede zwischen Deutschland und Nordafrika. Wie war es für dich?
Bender (lacht): "Das war heftig. Ich habe zwei Tage gebraucht, um auf der Höhe zu sein. Es war enorm heiß."
Auch wenn es am Ende nicht zum Titel gereicht hat, so scheint der deutsche Fußballnachwuchs doch im Kommen. Bestes Beispiel ist der BVB, wo viele junge deutsche Spieler auf dem Platz stehen. Täuscht der Eindruck, dass eine Kehrtwende gelungen ist?
Bender: "Ich denke, es hat sich wirklich etwas verändert. Die ganzen Titel der deutschen Jugendmannschaften kommen nicht von ungefähr. Ein neues Konzept hat sich eingeprägt. So wie jetzt sollte es weitergehen."
Wie beurteilst du den bisherigen Saisonverlauf von Borussia Dortmund?
Bender: "Wir sind für unsere Verhältnisse schwach in die Saison gestartet. Wir hatten uns viel mehr vorgenommen. In der einen oder anderen Situation hatten wir auch ein bisschen Pech. Aber in den letzten Wochen haben wir uns gefangen und uns stabilisiert. Dieser Weg muss weitergehen."
Nächster Gegner im SIGNAL IDUNA PARK ist Tabellenschlusslicht Hertha BSC Berlin. Die meisten erwarten einen Sieg. Was erwartest du?
Bender: "Natürlich müssen wir dieses Spiel gewinnen. Trotzdem darf man Berlin nach so vielen sieglosen Spielen nicht unterschätzen. Irgendwann kommt auch bei denen die Wende. Ich hoffe, erst in der Woche nach uns."
Das Gespräch führte Johannes Vorspohl