Am 13.07.2017 wurden insgesamt 11 Stolpersteine für die jüdische Familie Orlean verlegt, sechs in der Klosterstraße 4 und fünf in der Oesterholzstraße 87, wo sich heute das St. Vincenz Jugendhilfe-Zentrum befindet. Von 1916 bis 1938 hatte die Familie Orlean hier ein Textilwarengeschäft betrieben. Sie war dem BVB freundschaftlich verbunden und hat ihn mit einer Kleinanzeige in der Vereinszeitung von 1926 finanziell unterstützt.

Die Orleans waren am Borsigplatz beliebt und führten ein weitgehend unbeschwertes bürgerliches Leben. Mit dem Machtantritt der NSDAP wurde jedoch alles anders. In der Pogromnacht vom 9. November 1938 wurden das Geschäft und die Wohnräume von der SA verwüstet. Die Familie wurde zerrissen und über fünf Länder verstreut. Neun von ihnen wurden ermordet.

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In der Oesterholzstraße 87 wurden die Stolpersteine für die älteste Tochter Regine Grünewald und ihre Familie, sowie für den jüngsten Sohn Jakob Orlean verlegt. Er ist nach Frankreich geflüchtet, hat sich dort der Résistance angeschlossen und wurde verhaftet. Er hat Auschwitz überlebt, und danach noch fünf weitere deutsche Konzentrationslager und drei Todesmärsche. Seine einzige Tochter Éliane Orléans-Gerstein war mit ihrer Familie zu dieser Stolpersteinverlegung aus Kanada angereist. Unter den zahlreichen Anwesenden waren auch Vertreter der jüdischen Gemeinde Dortmund, der BVB-Fanabteilung, des BORUSSEUM und zahlreiche BVB-Fans, sowie Schülerinnen und Schüler der Droste-Hüslhoff-Realschle im Rahmen ihrer Projektwoche.

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Nach den einführenden Worten von Andreas Roshol vom Jugendring Dortmund betonte Bürgermeisterin Birgit Jörder die Bedeutung von Stolpersteinverlegungen für die Stadt Dortmund. Wilfried Harthan berichtete aus seinen Recherchen über diese fünf Mitglieder der Familie Orlean. Éliane Orléans-Gersteins kurze Ansprache in Deutsch und Englisch hinterließ bei allen Anwesenden einen besonders starken Eindruck. Danach sprach Rabbi Babaev ein hebräisches Gebet für die Familie, und zum Abschluss legten die Schüler gelbe Rosen an den Stolpersteinen nieder.

In der Klosterstraße 4 trug der Dortmunder Historiker Rolf Fischer vor, was er zu diesen 6 Mitgliedern der Familie in seinem Gedenkbuch „Dortmunder Opfer der Shoa“ geschrieben hat.

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Die Familie Orléans-Gerstein hat viel Neues über die Geschichte ihrer Vorfahren und deren Leben in Dortmund erfahren, und umgekehrt hat ihre Anwesenheit den Teilnehmern die Geschichte ihrer Stadt und ihres Landes auf sehr persönliche Weise nahegebracht. Und so wurde diese Stolpersteinverlegung zu einer eindrucksvollen Begegnung von Menschen.

Der Nachmittag stand im Zeichen des BVB. Ein Spaziergang um den Borsigplatz führte am „Wildschütz“ und bei Hoesch und den Resten der Westfalenhütte vorbei, aber auch an den Stolpersteinen für die schwarzgelben Widerständler Heinrich Czerkus und Franz Hippler, und vermittelte somit etwas von der Atmosphäre des früheren Hoeschviertels. Anschließend ging es durchs BORUSSEUM und ins Stadion, unter fachkundiger Führung von Sarah Hartwich. Ein gemeinsames Abendessen in der Stadt schloss den Tag ab. Am folgenden Tag begleiteten Sarah Hartwich und Wilfried Harthan die Familie in die Steinwache, wo Heinrich Orlean vier Monate lang inhaftiert war. Am Nachmittag vermittelte die Zeche Zollern und die Ausstellung über den Arbeiterfotografen Erich Griesar einen Eindruck vom industriellen Dortmund, so wie ihre Verwandten es gekannt haben. Nachdem die Familie am Abend die Dortmunder Synagoge besucht hatte, kam es bei einem weiteren gemeinsamen Abendessen zu zahlreichen intensiven Gesprächen.

Diese beiden außergewöhnlichen Tage wären ohne die Unterstützung von Borussia Dortmund und vor allem durch das persönliche Engagement von Sarah Hartwich und Daniel Lörcher so nicht möglich gewesen. An diesen beiden Tagen sind Freundschaften entstanden. Danke an alle Beteiligten.