Emotionaler kann eine Verabschiedung nicht ablaufen. 80.667 Zuschauer – darunter auch die Fans von Werder Bremen! – bereiteten Jürgen Klopp und Sebastian Kehl auf ihrer Ehrenrunde durch den Signal Iduna Park stehende Ovationen und spendeten Beifall ohne Ende. Und nicht nur der Himmel hatte seine Schleusen geöffnet. Unzählige Tränen flossen am letzten Tag zweier großer Borussen in „ihrem“ Stadion.

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Es war der Tag der großen Emotionen und der großen Gesten. Er begann damit, dass Mats Hummels die Kapitänsbinde für dieses Spiel weiterreichte an seinen Vorgänger, an Sebastian Kehl, den offiziellen Mannschaftskapitän von 2008 bis 2014 und Spielführer in so vielen anderen Partien zuvor. Und so führte Kehl die Mannschaft in seinem letzten Bundesligaspiel nochmal in sein Stadion.

Eine Viertelstunde zuvor hatte das Publikum in selten erlebter Lautstärke seinen Namen gerufen. Im Gegensatz zu Jürgen Klopp, der keine offizielle Verabschiedung gewünscht hatte, war Kehl von BVB-Chef Hans-Joachim Watzke geehrt worden. „Lieber Sebastian, für Menschen wie Dich wurde der Begriff Mannschaftskapitän überhaupt erst erfunden“, schrieb Watzke in seinem Vorwort im Stadionmagazin Echt und fügte hinzu: „Du bist im wahrsten Sinne des Wortes eine Führungsperson, hast immer die Bodenhaftung bewahrt, zeigst hohe Sozialkompetenz, bist manchmal unbequem, aber stets integer, aufrichtig, ehrlich und zutiefst ambitioniert. In schwierigen Zeiten, die manch ein Spieler genutzt hat, um sich dem nächstbesten anderen Klub anzuschließen, hast Du zum BVB gehalten. Du bist immer einer von uns geblieben, ein Borusse durch und durch.

Als Stadionsprecher Norbert Dickel dann ins Mikro sprach „Danke für 13 Jahre echte Liebe, danke an unsere Nummer fünf Sebastian ...“ donnerte es orkanartig von den Rängen: „Kehl!!!!“ Der 2002 aus Freiburg Zugezogene wurde von der Südtribüne quasi eingebürgert, als „Dortmunder Jung“ besungen: „Und wir werden immer Borussen sein, es gibt nie, nie, nie einen anderen Verein!“

Klopp und Kehl spielten an diesem Nachmittag den perfekten Doppelpass. In der 86. Minute nahm der Coach seinen langjährigen Kapitän vom Feld und schenkte ihm mit der Auswechselung die stehend dargebrachten Ovationen des Publikums, in die auch der einzuwechselnde Sven Bender einstimmte.

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Nach dem Schlusspfiff gehörte das Stadion dann aber zunächst wieder dem scheidenden Cheftrainer. „Lieber Jürgen“, so Watzke; „Du hast hier mit uns eine unfassbare Geschichte geschrieben! Keiner Deiner Vorgänger hielt sich so lange im Amt, keiner holte so viele Punkte, niemand wurde mit einer so jungen Mannschaft Deutscher Meister wie Du im Jahr 2011. Gleich zwei Meisterschaften hast Du mit Deinem Trainerteam nach Dortmund geholt, Du hast das Double gewonnen und bist als krasser Außenseiter ins Champions-League-Finale eingezogen. Vor allem aber hast Du mir und uns allen nach einer schwierigen Phase in der Klubgeschichte den Optimismus zurückgegeben und Deinen festen Platz in den Herzen der Menschen gefunden.“

Die „Jürgen Klopp, Jürgen Klopp, Jürgen Klopp“-Gesänge wollten gar nicht mehr aufhören. Mannschaft und Publikum verneigten sich auf dessen Ehrenrunde unter den Klängen von Trude Herr („Niemals geht man so ganz“) vor dem scheidenden Trainer. Auch die Fans von Werder Bremen spendeten ununterbrochen Applaus und sorgten im Verbund mit den Schwarzgelben für einen außergewöhnlichen Gänsehaut-Moment, wie man ihn im Fußball selten oder gar nicht mehr erlebt.

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„Idealerweise sehen wir uns nächsten Sonntag in der Innenstadt“

Auf eine direkte Ansprache verzichtete Klopp, „weil man aus Fehlern lernt“, wie er in einer Videobotschaft verriet: „Ich mache es nicht nochmal live, weil man damals in Mainz wegen meiner tränenerstickten Stimme nicht verstanden hat, was ich sagen wollte...“

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Heute hat man ihn verstanden. Die Fans hingen wie eh und je an seinen Lippen, als das Video über die Leinwände lief. „Ich nehme einen ganzen Sack voller positiver Erinnerungen mit“, bekannte Klopp: Idealerweise sehen wir uns nächsten Sonntag in der Innenstadt.“ Das alles hier „mit einem großartigen Erfolg zu beenden, würde dieser großartigen Sache auch gerecht werden.“ Mit Blick auf seinen Nachfolger empfahl er, „nicht zu vergleichen“. Und: „Der Verein hat eine großartige Zukunft vor sich.“

Zum Abschluss bildeten seine Spieler ein Spalier. Jürgen Klopp durchschritt es – und fand so viel Gefallen daran, dass er den Gang wiederholte, ehe er von der Bildfläche verschwand und die Bühne frei machte für Sebastian Kehl, der mit seinen Kindern Luis (8) und Leni (5) noch auf der Ehrenrunde war. Die Kollegen warteten geduldig, bis das Trio das Spalier durchschritten hatte. Für Kehl und seine Kinder war da aber noch nicht Schluss. Der letzte Dank galt der Südtribüne, die einen der größten Borussen aller Zeiten stilvoll verabschiedete. Und damit den Tag so beendete, wie er begonnen hatte: Mit Gänsehaut. Mit einer beeindruckenden Jürgen-Klopp-Choreografie.
Boris Rupert

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