Fünftes Endspiel, dritter Sieg. 23 Jahre nach dem Triumph über Werder Bremen und 47 Jahre nach dem Erfolg über Alemannia Aachen holte Borussia Dortmund am 12. Mai 2012 zum dritten Mal den DFB-Pokal. Und wie!

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Shinji Kagawa und Bastian Schweinsteiger

Selten war ein Pokalendspiel mit solcher Spannung erwartet worden, wie jenes am 12. Mai 2012 im Berliner Olympiastadion. Nicht nur halb Dortmund hatte sich auf den Weg in die Hauptstadt gemacht, sondern ganz Fußball-Deutschland schaute auf dieses Spiel.

Auf der einen Seite der Deutsche Meister von 2011 und 2012, auf der anderen der FC Bayern München, der in der Meisterschaft nun zwei Mal das Nachsehen gehabt hatte gegen die Vollgasfußballer vom Borsigplatz. Die Münchner wollten ihrer Saison nach der Vizemeisterschaft in der Liga noch einen goldenen Anstrich verpassen: durch den Gewinn des DFB-Pokals und – eine Woche später – im „Finale dahoam“ mit der Champions-League-Trophäe.

Es knisterte an allen Ecken und Enden vor diesem Finale, das Borussia Dortmund die Gelegenheit bot, Versäumtes nachzuholen: Die erste Chance aufs Double hatte man 1963 durch ein 0:3 im Pokalfinale gegen den HSV liegen gelassen. Im 103. Jahr des Vereinsbestehens sollten endlich beide Trophäen in die Fußball-Hauptstadt gehen.

Die Sympathien lagen wie schon bei den Endspielen 1989 und 2008 an gleicher Stätte bei den Westfalen. Beim friedlichen Fan-Fest rund um den Breitscheidplatz hatten zigtausend fröhlich feiernde Westfalen wieder einmal die Herzen der Berliner erobert.

Ein frühes und ein spätes Tor in Halbzeit eins

Keine zwei Minuten nach dem Anpfiff durch den Bremer Schiedsrichter Peter Gagelmann gleicht das Olympiastadion schon einem Tollhaus. Münchens Luiz Gustavo misslingt zunächst ein Anspiel nach vorn, dann auch noch ein Rückpass. Jakub Blaszczykowski ersprintet rechts im Strafraum den Ball, legt quer auf Shinji Kagawa, der ins leere Tor schießt. Ein Traumstart für den BVB!

Der Jubel der BVB-Sympathisanten unter den 74.497 Zuschauern ist kaum verklungen, da stockt ihnen bereits der Atem: Torhüter Roman Weidenfeller liegt nach einem Zusammenprall mit Mario Gomez minutenlang auf dem Rasen, kann zunächst unter immensen Schmerzen weiterspielen, doch im Sprint raus aus seinem Kasten fehlt ihm buchstäblich die Luft: Weidenfeller kommt zu spät gegen Gomez, bringt ihn zu Fall. Gelb für den Keeper und Elfer, den Robben sicher ins rechte Eck verwandelt. Mitte der ersten Halbzeit ist alles wieder offen.

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Die Bayern versuchen, den Druck zu erhöhen. Schmelzer und Großkreutz auf der linken Seite gegen Robben sowie Piszczek und Blaszczykowski auf der rechten Seite gegen Ribery sind ständig gefordert. Langerak, seit drei Minuten für Weidenfeller im Tor, muss in Minute 37 gegen Gomez Kopf und Kragen riskieren, schnappt sich aber entschlossen den Ball und tankt Selbstvertrauen.

Borussia nutzt die Chancen eiskalt

Gegen Ende des ersten Durchgangs schaffen die Schwarzgelben auch wieder Entlastung. Borussia setzt sich am Bayern-Strafraum fest. Blaszczykowski trickst links im Sechzehner, Boateng säbelt ihn um. Wieder Elfer, den Hummels mit etwas Glück verwandelt. Neuer ist noch dran. In der 41. Minute ist Dortmund wieder vorn, 2:1.

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Fünf Minuten werden nachgespielt in Durchgang eins. Borussia setzt den fast schon entscheidenden Konter: Kagawa schaltet blitzschnell, als Lewandowski halbrechts startet und sich von Boateng absetzt. Der Pole netzt frei vor Neuer aus 13 Metern ins linke Eck ein. Zum ersten Mal überhaupt in einem Pokalfinale kassieren die Bayern drei Gegentore – und das bereits zur Halbzeit.

Vier Minuten nach Wiederanpfiff unterläuft Langerak der einzige Lapsus in diesem Spiel. Der Australier kommt ganz weit aus seinem Tor, erreicht auch den Ball, der aber zu Robben prallt. Nach dessen Pass auf Gomez klärt Subotic. Anschlusstreffer verhindert, durchatmen

Dortmund setzt immer wieder Nadelstiche – und setzt sich ab: 58. Minute, Kagawa zu Großkreutz, der clever diagonal durch Schweinsteigers Beine zu Lewandowski spielt. Von halbrechts knallt der Pole das Leder aus zehn Metern zum 4:1 ins linke Eck. Zehn Minuten später scheitert er aus spitzem Winkel an Neuer, nachdem Gündogan und Co. die Bayern-Abwehr schwindelig gespielt haben.

Auf der anderen Seite köpft Gomez aus kurzer Distanz ans Lattenkreuz (69.), verkürzt Ribery per Flachschuss aus 16 Metern auf 2:4 (75.). Doch nur sechs Minuten später stellt Lewandowski den Drei-Tore-Vorsprung wieder her: Neuer lässt Gündogans Pass aus den Händen gleiten, Piszczek schnappt sich auf dem rechten Flügel die Kugel, flankt zu Lewandowski, der aus vier Metern zum 5:2 einnickt (81).

Die letzten Minuten vergehen wie im Rausch

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Danach ist endgültig Party angesagt im Olympiastadion. Die letzten Minuten vergehen wie im Rausch. Als Kapitän Sebastian Kehl um 22.13 Uhr den Pokal aus den Händen von Bundespräsident Joachim Gauck entgegennimmt, kennt der Jubel in Schwarz und Gelb keine Grenzen mehr. „Es ist wunderschön. 103 Jahre hat der Verein gebraucht, um das Double zu gewinnen. Das ist eine so emotionale Sache. Das ist unfassbar“, konstatiert Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, nachdem er minutenlang versonnen auf dem leeren Rasen gestanden hat, so wie einst Franz Beckenbauer nach dem gewonnenen WM-Finale 1990 in Rom.

Borussia Dortmund ist am 12. Mai 2012 auf dem Gipfel des Ruhms.

Das Spiel ist bestimmt schon eine Dreiviertelstunde zu Ende, doch die Dortmunder sind immer noch da. 40.000 auf den Tribünen, elf unten auf dem Rasen und auf der Tartanbahn. Sie saugen den Moment auf, können gar nicht genug bekommen. Als die „Toten Hosen“ durch die Lautsprecher dröhnen, läuft es manchem kalt den Rücken herunter. „An Tagen wie diesen“. Als sei dieser Song eigens für diesen Klub, für diese Mannschaft, für diesen Moment komponiert worden.
Boris Rupert

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