Interview
Yan Couto im Interview: „Schwarz wie Kohle passt perfekt zum BVB!“
Wir befinden uns in der dritten Länderspielpause der Saison – aktuell konzentrierst Du Dich auf Dein Comeback beim BVB. Du hast vor ziemlich genau einem Jahr in der brasilianischen Nationalmannschaft debütiert, beim 1:1 in Cuiabá gegen Venezuela. Wie hast Du das Spiel erlebt?
Dieses Gefühl kann ich auch ein Jahr später kaum in Worte fassen. Es war ein unglaublicher Augenblick in meinem Leben. Ich habe Gott gedankt und meiner Familie und allen, die mich auf dem Weg dorthin begleitet haben. Danilo hatte sich kurz vor Ende der ersten Halbzeit verletzt, und ich hatte kaum Zeit, mich ein wenig zu dehnen und warmzumachen. Aber in den paar Sekunden ging mir noch einmal durch den Kopf, was ich alles dafür getan habe, dass dieser Traum Wirklichkeit wird. Und natürlich war ich ein bisschen nervös. Ich in der Seleçao! Zusammen mit Spielern wie Neymar oder Vinicius Junior. Was für ein großer Tag für mich und meine Familie!
War das noch ergreifender als der Sieg bei der U17-WM vor fünf Jahren zu Hause in Brasilien? Damals hast Du in der Nachspielzeit das Tor zum 2:1-Sieg im Finale gegen Mexiko vorbereitet.
Das kann man schwer miteinander vergleichen. Natürlich war das auch eine sehr emotionale Angelegenheit, denn wann wirst du schon mal Weltmeister, und dann auch noch vor deinen Landsleuten? Aber es war eben die U17, nicht die große Seleçao, von der jeder Junge in Brasilien träumt.
Pelé, Garrincha, Zico, Ronaldo – in Brasilien gibt es allerlei Legenden, denen junge Spieler nur zu gerne nacheifern. Wer ist Dein Idol?
Cristiano Ronaldo! Ja, kein Brasilianer, sondern ein Portugiese. Das ist vielleicht ungewöhnlich, aber Cristiano ist eben auch ein ungewöhnlicher Fußballspieler. Schau dir an, wie er sich auf dem Platz bewegt und auch daneben, wie er sein ganzes Leben danach ausrichtet, alles für den Sport zu geben. Wie hart er dafür arbeitet, auch jetzt noch mit 39 Jahren. Aber ich bewundere auch Neymar, ein großartiger Spieler und Mensch, er hat mir bei meinem Debüt in der Nationalmannschaft sehr geholfen. Ich habe es genossen, mit ihm zu spielen. Wie wichtig er ist, erkennst du daran, wie sehr er der Seleçao zuletzt gefehlt hat wegen dieser schweren Knieverletzung. Neymar und Cristiano sind die beiden Fußballer, die mich am meisten inspirieren.
Auch wenn sie auf einer anderen Position spielen als Du?
Ja, aber am Ende spielen wir alle Fußball, und die beiden machen auf dem Platz Dinge, die sonst niemand machen kann. Das zählt.
Was für ein Typ Fußballspieler bist Du?
Ich bin ein rechter Außenbahnspieler, der versucht, das Spiel modern zu interpretieren, also hinten fehlerfrei die Verteidigungsarbeit zu verrichten und vorn kreative Elemente einzubringen. Dabei hilft mir meine Schnelligkeit und meine Technik. Ich werde alles dafür tun, um mit den Fans der Borussia großartige Stunden in der Bundesliga und in der Champions League zu erleben.
Du hast schon mit 18 Jahren einen Vertrag bei Manchester City unterschrieben und bist seitdem immer wieder an andere Klubs verliehen worden, nach Girona, Braga und dann wieder Girona. Auch Spanien und Portugal sind weit weg von Brasilien, aber Temperatur und Sprache ähneln sich doch sehr. Und Deutschland? Muss doch eine ganz andere Welt für Dich sein…
Da ist was dran. Portugal kam meiner Heimat schon recht nahe, in der Liga dort spielen sehr viele Brasilianer, in Spanien ebenfalls. Deutschland ist schon eine völlig neue Erfahrung, eine andere Kultur und Sprache, ein bisschen kälter soll es jetzt im Winter ja auch werden. Aber meine Welt ist der Fußball, und der wird in Deutschland nach denselben Regeln gespielt wie in Brasilien, Spanien oder Portugal. Natürlich muss ich mich hier und da noch an gewisse Sachen gewöhnen, aber das wird sich geben.
Vor Deiner Unterschrift in Manchester hat Pep Guardiola gesagt, Du müsstest unbedingt lernen, besser Englisch zu sprechen als Gabriel Jesus. In Girona hast Du die Fans entzückt, indem Du ein bisschen Katalanisch gelernt hast. Und jetzt? Was machen Deine Deutsch-Kenntnisse?
Ha, guter Punkt! Mit der deutschen Sprache tue ich mich noch ein wenig schwer. In der Mannschaft spricht außer mir keiner Portugiesisch, aber in der Kabine verständigen wir uns auf Englisch, das funktioniert sehr gut. Und Deutsch? Hmm. Viel mehr als „Danke“ und „Guten Morgen“ beherrsche ich noch nicht. Daran muss und werde ich arbeiten.
Was wusstest Du denn vor der Saison schon über die Bundesliga?
Bei mir zu Hause haben wir eher auf die Premier League geachtet oder auf die spanische Liga. Die deutschen Vereine kenne ich aus der Champions League, also vor allem Bayern und Dortmund. Große Klubs, die natürlich auch in Brasilien jeder kennt. Deswegen habe ich mich so sehr über das Angebot von der Borussia gefreut. Was die anderen Mannschaften in der Liga betrifft, ist das weiterhin noch Neuland für mich, ein großes Abenteuer.
Welche Dortmunder Spieler kanntest Du schon zu Deiner Zeit in Spanien?
So ziemlich alle! Die Borussia ist ein großer Verein und stand in der vergangenen Saison nicht zufällig im Finale der Champions League. Marcel Sabitzer, Niki Süle, Greg Kobel, Julian Brandt oder Waldemar Anton. Und natürlich Gio Reyna, er hat im Sommer mit den USA bei der Copa America gespielt. Ich könnte jetzt die ganze Mannschaft aufzählen, aber die kennst Du ja selbst gut genug. Das sind alles hervorragende Fußballspieler, und ich genieße es jeden Tag, mit ihnen zusammen zu sein.
Es gibt eine sehr spezielle Beziehung zwischen Dortmund und Deiner Heimat. Aus keiner anderen Nation kamen so viele Spieler wie aus Brasilien.
Das ist mir bekannt, und natürlich kenne ich ein paar Namen aus der Vergangenheit. Tinga, Evanilson oder Marcio Amoroso. Und natürlich Dedé und Felipe Santana, mit den beiden hatte ich im Sommer ein Churrasco, eine brasilianische Grillparty. Ich weiß um die besondere Geschichte hier und werde alles tun, um ein neues, erfolgreiches Kapitel mitzuschreiben.
Als Dedé in seinem ersten deutschen Winter eines Morgens zum Training fahren wollte, war die Windschutzscheibe seines Autos gefroren. Also hat er das Auto stehen gelassen, weil er dachte, dass die Scheibe kaputt sei…
Ich habe noch keinen deutschen Winter erlebt, aber ich war drei Jahre in Nordspanien. Von Girona sind es nur 50 Kilometer bis zu den Pyrenäen, und natürlich schneit es da auch. Aber ich bin mir der Tatsache bewusst, dass der Winter in Dortmund ein bisschen anders ausfallen wird, als ich das bisher gewöhnt war. Ich sehe das als Herausforderung! Und an Herausforderungen wächst man bekanntlich.
Es gab mal eine Zeit, da haben auch deutsche Fußballspieler Spuren in Brasilien hinterlassen. Weißt Du, wer Fritz Essenfelder war?
Keine Ahnung!
Ein Deutsch-Argentinier, der 1909 aus Buenos Aires nach Brasilien kam, er brachte den ersten Fußball nach Curitiba und gründete dort den Coritiba FC. Sein Bild hängt heute noch im Vereinsmuseum. Dein Heimatverein ist sozusagen eine deutsche Erfindung!
Ach, wirklich? Ich weiß, dass es in und um Curitiba viele Menschen mit deutschen Wurzeln gibt, aber dass mein Verein von Deutschen gegründet wurde, habe ich noch nie gehört. Dafür musste ich wohl erst nach Dortmund kommen.
Mit Girona hast Du im letzten Jahr eine unglaubliche Saison gespielt. Ihr habt als Team der Namenlosen lange Zeit die Liga angeführt und Euch am Ende souverän als Dritter für die Champions League qualifiziert. Wie schwer ist es Dir gefallen, diesen Klub zu verlassen?
Das war schon ein sehr emotionaler Abschied. Girona ist nicht irgendein Verein für mich. Ich habe dort drei sehr prägende Jahre zugebracht, aber alles geht einmal zu Ende. So ist der Fußball.
In Girona hast Du nicht nur mit Deinen Dribblings auf dem rechten Flügel für Aufsehen gesorgt, sondern auch mit Deinen Haaren. Sie waren rosa gefärbt.
Das war so eine Idee von mir zu Beginn der vergangenen Saison, weil ich für mich persönlich ein Signal setzen wollte. Es sollte eine ganz spezielle Saison für mich werden, und das ist sie ja auch geworden. Außerdem ist Rosa die Lieblingsfarbe meiner Schwester. Ich finde, dieser Look hat perfekt zu Spanien und zu Girona gepasst, aber jetzt bin ich in Dortmund. Schau Dir meine Haare an: Sie sind wieder schwarz wie Kohle und passen damit doch perfekt zum BVB, oder?
Die Karriere von Yan Couto: Mit 17 einer der Top 60
Im Alter von zehn Jahren wurde Yan Couto, geboren am 3. Juni 2002, Mitglied der Jugendmannschaft seines Geburtsortes Curitiba. 2019 gewann er mit der brasilianischen U17-Auswahl den WM-Titel. Die Zeitung „The Guardian“ nahm ihn in eine Liste mit den 60 größten Talenten der Fußball-Welt auf. Ein Jahr später wechselte er zu Manchester City und wurde absprachegemäß an den FC Girona verliehen, für den er insgesamt 95 Spiele (fünf Tore, 17 Vorlagen) absolvierte. Zwischenzeitlich, in der Saison 2021/22, spielte er für den SC Braga (42 Einsätze, ein Tor, vier Vorlagen). Am 13. Oktober 2023 debütierte der 1,68 Meter große Außenverteidiger in der brasilianischen A-Nationalmannschaft, für die er bislang viermal auflief.
Interview: Sven Goldmann
Fotos: Alexandre Simoes