Story
Dana Bleckmann: „Denn Handball ist das, was ich liebe“
Dana Bleckmann lässt uns an diesem Vormittag im November in ihre Wohnung und gewährt so Einblick in ihr persönliches Kraftzentrum. Hier hat sie nach langen Reha-Tagen im Kraftraum zur Ruhe gefunden. Hat, allenfalls noch einmal im Lymphomat regenerierend, auf der Couch liegend ferngesehen oder den Ausblick hinten raus auf Wiesen und Wälder genossen, den Rehen beim Spaziergang durch den Sonnenuntergang zugeschaut. Die sechs Monate Reha seien schon stressig gewesen, ein Vollzeit-Job. In der Regel hat sie von 9 bis 17 Uhr für ihr Comeback gearbeitet. Aber es hat sich gelohnt.
Dana, Du strahlst – auf den Fotos inmitten Deiner Mannschaftskolleginnen und jetzt gerade. Es scheint Dir gut zu gehen.
„Mir geht es sehr gut. Es ist ein supergeiles Gefühl, wieder auf der Platte zu stehen. Mit dieser Mannschaft macht es viel Spaß. Die Hallen sind gut gefüllt, wenn wir spielen. Es ist einfach schön.“
Wie weit seid ihr als Mannschaft? Mit Alieke van Maurik, Déborah Lassource, Guro Husebø und Kelly Vollebregt mussten vier Neuzugänge integriert werden, dazu kommt der neue Play-off-Modus, der in der strategischen Saisonplanung schon ein bisschen was verändert.
„Es hat eine Zeit gebraucht, bis sich alles gefunden hat. Durch Olympia sind einige etablierte Spielerinnen erstzwei, drei Wochen vor Saisonstart dazugekommen. Da blieb sehr wenig Zeit, sich einzuspielen, wofür wir dann eben noch die ersten Pflichtspiele nutzen mussten. In der Folge haben wir uns aber immer mehr gefunden und inzwischen harmonieren wir sehr gut miteinander. Wir haben jetzt auch eine Sicherheit als Team. Abseits des Feldes hat sich alles sehr schnell gefügt.“
In welchen Bereichen gibt es noch Potenziale?
„Überall. Man kann immer überall einiges verbessern. Unser Angriffsspiel ist sehr vom Tempo geprägt. Hier können wir den Fokus darauflegen, dass unser Tempospiel noch effektiver wird, dass wir auch in engen, kritischen Situationen weiter auf unsere Teamstärke vertrauen. Unsere Abwehr ist speziell, ungewöhnlich; in den Ansätzen ist das alles schon sehr gut, aber es gibt immer noch ein paar Stellschrauben, an denen wir drehen können.“
Eine bedeutende Stellschraube in Danas Wohnung ist die Farbe Rosa. Im Vergleich zur ersten eigenen Bleibe ist es zwar etwas weniger geworden, die Couch beispielsweise ist jetzt grau, sie sei halt auch erwachsener geworden, im Kern aber „ist ein bisschen Rosa-Mädchen erhalten geblieben“. Wobei „ein bisschen“ ein bisschen untertrieben ist. Genau genommen ist die Mikrowelle so rosa wie die Wasserflasche, die danebensteht; die Kaffeetasse wie Smartphonehülle und Bluse; die Blumenblätter wie die Lampenschirme; die Sitzbezüge wie der Sessel und das Kissen. Nichts daran ist quietschig, alles ist stimmig. Hier und da gehen Nuancen ins Altrosa, der goldene Schmuck, den Dana an Ohren, Hals und Händen trägt, harmoniert prächtig. Das Arrangement ist Ausdruck eines selbstbewussten, positiven jungen Menschen, der ganz bei sich ist; der weiß, wo er herkommt und wo er hinwill; der weiß, was er möchte.
Dana, kommen wir konkret zu Dir: Du spielst seit dem zweiten Kreuzbandriss jetzt immer mit einem über das Knie hochgezogenen Stutzen. Warum?
„Ich habe mir dazu ein paar Gedanken gemacht: Das erste Mal war für mich ein Unfall. Beim zweiten Mal aber fängt man an darüber nachzudenken, ob man noch irgendwie irgendwas ändern kann. Ich weiß, dass man einer Verletzung über verschiedene Faktoren vorbeugen kann: zum Beispiel über viel Training, viel Fleiß und gesunde Ernährung. Der hochgezogene Strumpf ist jetzt auch so ein kleiner Faktor. Er gibt mir ein bisschen Sicherheit – auch wenn er über ein wenig Kompression hinaus womöglich gar nichts für die körperliche Stabilität tut. Wichtiger ist für mich zu wissen, dass da was ist. Es ist also eher etwas fürs gute Gefühl als kleine Unterstützung für den Kopf.“
Und man sieht das Knie dadurch nicht.
„Ja, das Knie ist dadurch verdeckt. Aber verstecken kann und will ich die Verletzung nicht. Sie gehört zu mir und meiner Geschichte dazu. Das macht mich aus. Und das können die Leute auch ruhig wissen.“
Wie oft denkst Du an die zwei Kreuzbandrisse, wenn Du auf der Platte stehst?
„Gar nicht. Das ginge auch nicht. Im Spiel bleibt keine Sekunde Zeit. Ich habe ja schon bei unserem letzten Gespräch gesagt, dass ich keinen Grund darin sehe, mit angezogener Handbremse zu spielen. Dann könnte ich es gleich sein lassen. Für mich gibt es nur: ganz oder gar nicht. Ich habe mich dazu entschieden, das auch ein zweites Mal ganz zu machen. Und da stehe ich komplett hinter. Im Spiel ist so viel Adrenalin und Spaß und Spielfreude dabei, dass ich komplett im Film bin. Da bleibt wie gesagt keine Zeit, darüber nachzudenken – eher schon beim Aufwärmen, im Training, während der Regeneration. In diesen Momenten höre ich auf meinen Körper und achte auf ihn. Ich tue die Dinge, die in meiner Macht stehen, um gesund zu bleiben. Aber im Spiel gibt es nur das Spiel.“
Die Alternative zu „immer wieder aufstehen“ wäre ja „liegen bleiben“ – und das ist eben keine.
„Nein! Das war für mich nie eine. Natürlich kommen zwischendurch auch mal Zweifel; wieder eine OP, wiedersechs Monate Reha. Klar habe ich im ersten Moment gedacht: Scheiße, ich schaffe das kein zweites Mal undvor allem will ich es kein zweites Mal – diese Gedanken habe ich aber schnell wieder verworfen. Denn Handball ist das, was ich liebe. Deshalb war und ist es für mich keine Option aufzugeben, und wird es auch nie sein.“
Dana Bleckmann wusste schon immer, was sie will – und was nicht. Sie war 15, als sie vom Elternhaus in Aldekerk kurz vor Venlo nach Dortmund gezogen ist. Und sie hat sich nach einer Probewoche im Internat bewusst dazu entschieden, lieber in den eigenen vier Wänden zu leben. Das Internat sei nichts für sie gewesen, und sie habe diesen Schritt nie bereut. „Es war auch verdammt cool, damals schon direkt nach der Schule in meine eigene Wohnung gehen zu können.“ Mit Harma van Kreij wohnte die Mitfahrgelegenheit zum Training direkt gegenüber. Die Wäsche nahm in den Anfängen noch den Umweg über Mamas Maschine in Aldekerk. Lange schon steht Dana Bleckmann inzwischen komplett auf eigenen Füßen. Sie wäscht selbst, kocht selbst, ist sie selbst. „Das geht zwangsläufig mit der Profikarriere einher“, sagt die 23-Jährige, „und auch durch die Verletzungen habe ich mich nochmal weiterentwickelt.“ Die Bande zur Familie aber sind stark wie eh und je. Im Sommer erst war Dana mit ihrer Schwester auf Bali. Zusammen sind sie mit dem Roller herumgereist, haben neue Eindrücke und Erfahrungen gesammelt.
Dana, wie wichtig war dieser Tapetenwechsel, bevor es dann wieder richtig mit Handball und der neuen Saison losging?
„Super-, superwichtig! Mir gibt das so viel Energie, wenn ich einfach mal abschalten kann. Es war insgesamtwichtig, im Gegensatz zum ersten Mal diesmal phasenweise mehr Abstand zu meiner Mannschaft, zum BVBund auch zu Dortmund zu gewinnen. Nicht, weil es mir nichts bedeutet, sondern ganz im Gegenteil: Weil es mir sehr viel bedeutet! Der Abstand war für mich so enorm wichtig, weil ich es vielleicht nicht verkraftet hätte, noch mal so nah dran zu sein und gleichzeitig eben doch nicht mitmachen zu können. Das ist mir beim ersten Mal extrem schwergefallen. So konnte ich zwischendurch immer mal wieder Energie tanken für die nächste Reha-Phase. Deshalb die Reisen; im Sommer Bali und im November 2023 bereits Miami mit meiner Familie. Das hat mir sehr viel gegeben. Als ich zurückgekommen bin, hatte ich noch einmal so viel mehr Bock, hart zu arbeiten, um wieder Handball spielen zu können.“
Wie kann man sich Urlaub mit Dana Bleckmann vorstellen? Haust Du Dich in die Sonne und lässt die Seele baumeln oder schaust Du Dir auf Reisen auch etwas an?
„Ich bin nicht die, die in ein Resort fährt und da dann zehn Tage lang nur faul in der Sonne rumliegt. Das passt nicht zu mir. Ich möchte vor allem etwas sehen von der Welt und Neues entdecken. Am Strand liegen kann ich auch auf Mallorca – aber bei solchen Fernreisen möchte ich schon etwas sehen, Land und Leute kennenlernen.“
Dana Bleckmann ist offen für Neues. Sie schaut über den Tellerrand, hat keine Angst, die Komfortzone zu verlassen. Parallel zur Profikarriere studiert die 23-Jährige Journalismus, steht kurz vor dem Bachelor und hat jetzt schon einen klaren Plan für die Zeit nach dem Leistungssport. „Nur Handball wäre mir auch zu langweilig.“ Und langweilig ist doof.
Was ist mit dem BVB in dieser Saison möglich?
„Einiges. Ich bin sehr gespannt. Aktuell läuft es wie eingangs gesagt sehr gut. Die Harmonie in der Mannschaftist da. Wir sind in die Gruppenphase der European League eingezogen, ab jetzt ist dort vieles möglich. Wirwissen, wie geil es ist, ein Final Four zu spielen. Das wollen wir unbedingt noch mal erleben. Im DHB-Pokal haben wir es bereits erreicht. Und in der Bundesliga wird es auf jeden Fall spannend. Die neuen Play-offs werden eine Herausforderung. Noch ist es schwierig, zu kalkulieren, was passiert. In K.o.-Spielen kann immer alles passieren, da reicht ein Ausrutscher und du bist weg vom Fenster.“
Viel lieber aber würde Dana Bleckmann noch sehr viel länger im Schaufenster verbleiben. Dafür ist sie unter der Woche sehr diszipliniert und strikt und isst auch so, am Wochenende aber drückt sie regelmäßig beide Augen zu. Dann belohnt sich Borussin Nummer 66 – vorzugsweise nach einem Sieg beim Handball – schon mal „mit einem dicken Burger oder Pizza oder allem, was eigentlich verboten ist“ – weil Handball das ist, was sie liebt.
Autor: Nils Hotze
Fotos: Alexandre Simoes
Der Text stammt aus dem Mitgliedermagazin BORUSSIA. BVB-Mitglieder erhalten die BORUSSIA in jedem Monat kostenlos. Hier geht es zum Mitgliedsantrag.