Story
Rückblick 2003: Bauchlandung in Brügge
Durch ein 1:1 am letzten Spieltag der Saison 2002/2003 gegen Energie Cottbus hatte Vorjahresmeister Borussia Dortmund Platz zwei und damit die Direktqualifikation für die UEFA Champions League verspielt. Zum dritten Mal nach 1999 (FK Teplice) und 2001 (Shakthar Donetsk) musste der BVB also in die Qualifikation.
Obwohl so viel auf dem Spiel stand, präsentierte sich die Mannschaft am 13. August 2003 im Hinspiel beim Club Brügge bis auf Torwart Roman Weidenfeller ziel- und ideenlos. „Blauw en Zwart“, wie der Belgische Meister aufgrund seiner Trikotfarben genannt wird, entzauberte die Borussen 45 Minuten lang nach allen Regeln der Fußballkunst. „Die Art und Weise hat mich nachdenklich gemacht. Mit so einer Einstellung kannst du in der Champions League nicht bestehen“, sinnierte der damalige Manager Michael Meier. Trainer Matthias Sammer hatte ohnmächtig von der Bank aus mit ansehen müssen, „wie wir die förmlich dazu eingeladen haben, auf die schnellen Spitzen zu spielen. Brügge hat uns vor allem in der ersten Halbzeit für unsere naive Spielweise bestraft“.
Eine Kette von Fehlern führte zum 1:0 in der 33. Minute. Ausgangspunkt war André Bergdölmos verlorenes Dribbling gegen Verheyen, Tomas Rosicky konnte nach dessen Flankenwechsel Abwehrspieler van der Heyden nicht an der Hereingabe vom linken Flügel hindern, und Nastja Ceh unbedrängt und unhaltbar einschießen. Selbst den knappen Rückstand vermochte die mächtig durchgerüttelte Borussia nicht in die Kabine zu retten. Wieder durfte van der Heyden von links flanken, Mendoza verlängerte, wieder stand ein Belgier frei, diesmal Gert Verheyen, der aus zwölf Metern eiskalt verwandelte (45.).
Zu Beginn der zweiten Hälfte konnte Marcio Amoroso zwar auf 1:2 verkürzen, nachdem Torhüter Verlinden einen Koller-Weitschuss nach vorne abprallen ließ, und Otto Addo hatte nach tollem Solo den Ausgleich auf dem Fuß, zog knapp am linken Pfosten vorbei (62.). „Ich bin froh, dass das Tor nicht gefallen ist. Ein 2:2 wäre ein Witz gewesen. So gehen wir wenigstens hoch konzentriert ins Rückspiel“, meinte Christian Wörns…
„Ein Tor schießen, keins kriegen“, lautete daher die Vorgabe für den Showdown am 27. August 2003 an der Strobelallee. Es folgte ein Spiel „Zwölf gegen Zwölf“. Borussia hatte die 62.000 Fans im Rücken, Brügge nicht selten Schiedsrichter Riley auf seiner Seite. Der musste bei konsequenter Regelauslegung den bereits verwarnten Mendoza nach Foul an Rosicky früh vom Platz stellen und durfte Brügges 1:1 nicht anerkennen, als nach Ahmed Madounis ungeschicktem Einsatz gegen Verheyen (korrekt gepfiffen) eben jener Verheyen bei der Ausführung des Freistoßes die Dortmunder Abwehrmauer mit Brachialgewalt zur Seite schob und so den Weg frei machte für Mendoza, der aus exakt 18 Metern zum 1:1 einnetzte, nachdem Marcio Amoroso bereits nach zwei Minuten das 1:0 geglückt war.
Die Nerven der Zuschauer waren zum Zerreißen angespannt. Der damalige Präsident Dr. Gerd Niebaum saß aschfahl auf seinem Tribünenplatz – und durfte dann doch noch einmal jubeln: Fernandez, wenige Sekunden im Spiel, flankte auf den ebenfalls eingewechselten Ewerthon, und der markierte per Kopf in der 86. Minute das 2:1. Dortmund spielte jetzt wieder Fußball in dieser unglaublichen Schlussphase, und Koller verpasste knapp das 3:1. Es ging in die Verlängerung.
Ewerthon hätte der gefeierte Held werden können, wenn – ja wenn – er nach 114 gespielten Minuten Addos Hereingabe verwandelt hätte. Doch der Brasilianer säbelte am Ball vorbei. Das passiert in einem von 100 Fällen. Und in Spielen, in denen es um so viel geht. Aber auch Amoroso (abgefälscht zur Ecke, 96., knapp vorbei, 106.) hätte das erlösende 3:1 markieren können. In der 116. Minute übersah Schiedsrichter Riley zu allem Unglück ein Handspiel von de Cock in Brügges Strafraum.
Und so musste das letzte Mittel der Entscheidung herhalten: ein Elfmeterschießen. Torhüter Tomislav Butina parierte gegen Amoroso und Bergdölmo, Brügges Schützen verwandelten allesamt sicher. Borussia Dortmund war ausgeschieden. Am kommenden Mittwoch (18.09.24, 21 Uhr) wollen die Schwarzgelben es besser machen, wenn sie zum ersten Champions-League-Spiel der neuen Saison auswärts beim Club Brügge antreten.
Boris Rupert