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Die größte Meisterfeier aller Zeiten
Vom Meistercorso berichtet Jana Schoo
Schon in den frühen Morgenstunden sah man vor den Westfalenhallen die ersten Fans, die den ganzen Tag auf ihre Meister warten würden. Auch auf dem Borsigplatz postierten sich die BVB-Anhänger rechtzeitig, um den großen Moment in der ersten Reihe erleben zu dürfen. Und die Journalisten, die im Begleitfahrzeug hinter dem großen Meistertruck herfuhren, waren schon eine Stunde vorher da, richteten sich auf dem Wagen ein und warteten auf die Mannschaft.
Die kam dann auch pünktlich zur Abfahrt. Die Spuren der letzten Nacht konnten Spieler, Trainer und Offizielle aber nicht ganz verbergen. Teilweise überdimensional große Sonnenbrillen sollten zwar die dicken Augenränder überspielen, aber eine durchfeierte Nacht konnten auch die neuen Deutschen Meister nicht ganz schadlos überstehen. Fit für eine weitere Partyrunde waren sie trotzdem. Kaum an Bord, machte Stadionsprecher Norbert Dickel direkt die erste Probe, stimmte die BVB-Songs an und erhielt lauten Gesang zurück. Generalprobe bestanden. Und los ging er, der Partymarathon.
Sobald der Truck das Hoesch-Gelände verlassen hatte, und von der Oesterholzstraße auf den Borsigplatz zusteuerte, bekam die Mannschaft einen ersten Eindruck davon, was sie im Laufe des Tages noch erwarten würde: Tausende von Fans schrien, feierten und freuten sich über den Anblick des Meisters. Die Popularität einer Boy-Group haben die Dortmunder Jungs längst erreicht. Und auch ihre Gesangsqualitäten stellten sie nur liebend gern unter Beweis. Allen voran Kevin Großkreutz schnappte sich regelmäßig das Mikro. "Bambule, Randale - Dortmund hat die Schale", schrie er - und alles echote lauthals zurück.
Zeitweise erinnerte der Konvoi an einen Karnevalsumzug, eine riesige Parade, bei der die Teilnehmer nur ein Kostüm kannten: schwarze und gelbe Kleidung. Der Fantasie waren trotzdem keine Grenzen gesetzt: Ob BVB-Dirndl oder Bienenkostüm - die Fans taten alles, um ihrem Meister zu gefallen. Dazu kamen liebevoll gebastelte Liebesbotschaften auf Plakaten, T-Shirts und Fahnen. Und selbst bei der Platzsuche war Kreativität gefragt: In Fensterrahmen, auf Haus- und Autodächern, ja sogar auf Bäume, Ampeln und Verkehrsschilder kletterten die Anhänger, um den einen, großen Moment so nah wie möglich mitzuerleben.
Andere machten aus dem Meisterkorso gleich eine Völkerwanderung. Eine Reihe von Fans lief die gesamte Strecke neben dem Meistergefährt her. Selbst vom immer wiederkehrenden Regen ließ sich niemand abschrecken, zur Not musste dann einfach die Meisterschale aus Pappe als Regenschutz herhalten.
Die richtige Schale hatten die Jungs auf dem Truck und präsentierten sie immer wieder stolz den über 400.000 Fans, die an diesem Sonntag nach Dortmund gereist waren. Niemand, nein wirklich niemand, in Dortmund wollte sich die Meisterfeier entgehen lassen, so dass der Korso am Ende sogar vorzeitig abgebrochen werden musste, weil es auf der B1 kein Durchkommen mehr gab. Mit diesem großen Andrang hatte niemand gerechnet - bis auf Kevin Großkreutz, der schon am Samstag eine halbe Millionen Fans in Dortmund angekündigt hatte. Um den größten Moment ihrer Karriere voll genießen zu können, taten die Meister alles: Sie kletterten auf das Dach ihres Trucks. Sie harrten zusammen mit den Fans stundenlang aus. Sie filmten ihre Erlebnisse. Sie sangen. Und sie grölten.
Es sind viele Geschichten geschrieben worden in der fast fünfstündigen Pilgerreise des Meisters. Sie alle zu nennen, bräuchte ein eigenes Buch. Doch ein paar von ihnen waren besonders eindrucksvoll. Da war zum Beispiel Marcel Schmelzer, der vor der Meisterschale stand, sie ehrfürchtig begutachtete und sich noch einmal bei seinem Trainer Jürgen Klopp erkundigte, ob er sie denn jetzt auch wirklich einfach nehmen und hochhalten könne. Der Linksverteidiger begriff sein Glück noch immer nicht. Aber er durfte sie hochheben, sich feiern lassen und sich für eine einmalige Saison belohnen.
Oder da war Jürgen Klopp, der auf dem Wagen feierte, als gäbe es keinen Morgen. Er war genau so ein Popstar, wie es ihm in einem Lied angedichtet wird. Manchmal aber stand Klopp auch einfach nur da, grinste breit und genoss den Augenblick.
Worte vermochte er nicht zu finden. Und da war auch ein erst 18-jähriger Mario Götze, der verriet, nur eine Stunde geschlafen zu haben. Der aber immer noch so viel Adrenalin verspürte, so dass er stundenlang auf dem Wagen tanzte. Schlapp machen würden sie heute nicht mehr, die Meister. Am beeindruckendsten war letztendlich aber eine Geschichte: Die Geschichte der Fans. Die vor allem am Borsigplatz, aber auch auf der gesamten Korsostrecke, in der ganzen Stadt, die Liebe für ihren Verein so lebten, wie kein anderer Fußballfan in Deutschland. Solche Geschichten schreibt man nur beim Deutschen Meister 2011, Borussia Dortmund. Oder wie sagte Oberbürgermeister Ullrich Sierau: "Wir Dortmunder sind die wahren Partybiester..."