Interview
Fitness im Fußball: Auf der Suche nach dem Masterplan
Erst die USA-Tour, jetzt das Trainingslager: Wie sieht die Belastungssteuerung zwischen den Reisen aus?
Die Belastungssteuerung ist in dieser Situation eine große Herausforderung. Gerade auch aufgrund der Zeitverschiebung in den USA benötigen die Spieler erstmal Zeit, um sich zu akklimatisieren. In solchen Phasen müssen wir das Training wohl dosieren, um kein Risiko zu gehen. Hier im Trainingslager versuchen wir so intensiv zu arbeiten, dass wir körperlich und taktisch auf den Saisonstart vorbereitet sind.
Einige Spieler sind aufgrund der Länderspielreisen später zum Team dazugestoßen. Wie schafft ihr es diese Jungs zu integrieren?
Die Turnierspieler, die nur kurz ausgesetzt haben, also Mo Dahoud und Achraf Hakimi, konnten wir recht zügig wieder an unser Niveau heranziehen. Alle anderen mussten wir natürlich erstmal wieder heranführen. Der Körper kann risikofrei leisten, was er gewohnt ist. Die Robustheit ist das oberste Ziel.
"Am Ende ist es der Trainer, der mit seiner Erfahrung entscheidet, wie wir es umsetzen."
Dazu nutzt Ihr ein Trecking-System und könnt so quasi jeden Schritt zurückverfolgen. Wie läuft das Zusammenspiel zwischen der Analyse und der Trainingssteuerung auf dem Platz?
Am Ende gibt es ein Feedback über die Trainingsbelastung, auch speziell in den einzelnen Trainingsformen. Wir haben ein Ziel, das wir bzgl. des Volumens und der Intensität einzelner Parameter erreichen wollen. Dann ist es unsere Aufgabe, gemeinsam mit dem Trainerteam zu beurteilen, wie wir es anhand von geplanten Spielform und taktischen Inhalten am besten erreichen. Auch der Kollege Matthias Kolodziej hilft uns mit einer umfangreichen Datenanalyse entscheidend weiter. Wir geben allerdings nur eine Empfehlung ab, am Ende ist es der Trainer, der mit seiner Erfahrung entscheidet, wie wir es umsetzen.
Gibt es auch Fälle, in denen sich ein Spieler im Risikobereich befindet?
Ja, das passiert am häufigsten in der Re-Integration. Während einige schon belastungsstabil sind und eine gewisse Robustheit aufgebaut haben, müssen wir bei anderen achtgeben, dass wir sie entsprechend schützen und Belastungs-Toleranz aufbauen. Das ist der Fall, wenn ein Spieler länger verletzt war. Dann empfehlen wir auch mal, eine Einheit entfallen zu lassen.
Kommt es vor, dass sich die erfassten Zahlen und die eigentliche körperliche Verfassung auch mal widersprechen?
Das schon, ja. Es gibt keinen Masterplan, sondern auch wir lernen mit jedem Jahr dazu und sammeln Erfahrungswerte. Dabei versuchen wir Muster zu erkennen. Das ist eine große Herausforderung, aber in dem Bereich wird auch sehr viel Forschung betrieben, um zu erkennen: Welche Parameter haben Einfluss auf welche Art von Verletzung? Oder: Welche Belastung kann ein Spieler individuell vertragen? Anhand dieser Parameter, den Daten aus der Leistungsdiagnostik und unserer Erfahrung müssen wir dann einschätzen, ob sich ein Spieler im Risikobereich befindet, oder nicht.
Ein weiterer Parameter ist die Ernährung. Wir haben seit einem Jahr eine Ernährungsberaterin. Wie läuft die Zusammenstellung im Team an dieser Stelle?
Ursprünglich war das Thema Ernährung ein interdisziplinäres. Es stand zwischen der Athletik und der Medizin und war immer ein Kompromiss. Mittlerweile sind wir aber sehr gut aufgestellt. Unser Mannschaftskoch Dennis Rother und unsere Ernährungsberaterin Vanessa Oertzen-Hagemann bringen das optimale Expertenwissen mit. Alles was an Nahrungsergänzung dazukommt, liegt wiederum bei uns.
Austausch mit Kollegen? "Ich war sowohl bei einigen NBA- als auch NFL-Teams."
Während der USA-Reise sind wir auch in den Kontakt mit anderen Sportarten gekommen. Schaut Ihr Euch dort Methoden ab, die adaptierbar sind?
Natürlich, das sind auf solchen Reisen immer mit die besten Erkenntnisse für uns. Da auch andere Sportarten vor den gleichen Herausforderungen stehen, tauschen wir uns mit den Kollegen vor Ort aus. Beide Seiten können voneinander lernen und profitieren.
Zum Beispiel?
Ich war sowohl bei einigen NBA- als auch NFL-Teams. Dort stellt sich die interessante Frage: Wie wird die Individualisierung gehandhabt? Wie wird mit Reisestress umgegangen? Das sind interessante Erfahrungen aus erster Hand und auf höchstem Niveau, zum Beispiel aus dem Bereich der Datenanalyse. Im Anschluss können wir uns Fragen: Was ist davon auf uns übertragbar?
Nun steht der Saisonstart vor der Tür: der Supercup, der DFB-Pokal, die Bundesliga, die Champions League. Wie sieht der Unterschied zwischen der intensiven Vorbereitung auf die lange Saison und der Arbeit während der Spielzeit aus?
Wenn wir uns in den englischen Wochen befinden, ist der Spielreiz auch der Trainingsreiz. In solchen Phasen ist die Individualisierung ein großer Faktor. Zum Beispiel bei der Unterscheidung zwischen einem Spieler der 90, oder nur 30 Minuten gespielt hat. Alle sollen ja am Ende auf einem ähnlichen Fitnesslevel bleiben. Der Fokus verändert sich. Im Rahmen der Englischen Wochen lautet die Frage also eher: Wie können wir Frische generieren und den Spielern, die zuletzt weniger Einsatzzeit hatten, einen ausreichenden Trainingsreiz bieten? Hier im Trainingslager zählt dagegen eher die Frage, wie wir als Gruppe Robustheit erreichen für die Phase mit mehreren Spielen, Woche für Woche.