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Jahresrückblick 2008: März "Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!"

Ausnahmezustand an der Strobelallee: Am dritten Tag des freien Kartenverkaufs für das Pokalspiel gegen Carl Zeiss Jena muss Matthias Naversnik bereits die "Notbremse" ziehen. Der Leiter der Kartenstelle sitzt buchstäblich auf dem Trockenen. Die zunächst 22.000 frei verfügbaren Tickets sind restlos vergriffen. Das Halbfinale gegen Carl Zeiss Jena am 18. März ist mit 80.708 Besuchern das bestbesuchte Pokalspiel aller Zeiten.

Fußball-Dortmund liegt im Pokal-Fieber. Das bekommen auch die Profis zu "spüren". Als sie sich nach der wenig berauschenden Vorstellung gegen Hertha BSC (1:1) von den Fans verabschieden wollen, gibt es nicht die befürchteten Pfiffe. Die Südtribüne ist mit ihren Gedanken bereits ein Heimspiel weiter und skandiert: "Berlin, Berlin - wir fahren nach Berlin!"
Das Spiel wird kein Fußball-Fest. Zu groß ist die Last, die auf den Schultern der Bundesliga-Profis lastet. Mitunter hat man den Eindruck, die ins Uferlose gestiegene Erwartungshaltung würde die Aktionen lähmen. "Finale oder Fiasko", titeln die Medien vor dem ungleichen Duell zwischen dem Bundesligisten und dem designierten Zweit-Liga-Absteiger. Der BVB kann so wenig gewinnen, aber um so mehr verlieren.
Zu selten, wie beim frühen 1:0, das Tinga in der 13. Minute markiert, wird über die Flügel gespielt, um Lücken gegen einen kompakt im Zentrum verteidigenden Gegner zu reißen. Erst in der zweiten Halbzeit läuft das besser, besinnt sich der BVB auf seine Stärken, das Flügelspiel. In der 69. Minute kommen Florian Kringe (nach Muskelverletzung) und Diego Klimowicz (Schulter) ins Spiel - keine 60 Sekunden später stellt das Duo nach Dedes Pass die Weichen Richtung Berlin. Kringes Schuss kann der starke Jenaer Torwart nur abklatschen, Klimowicz ist zur Stelle und staubt ab. Petric sorgt mit dem Tor zum 3:0 für einen am Ende standesgemäßen Sieg. Der Borsigplatz erlebt eine lange Nacht - und nach Jahren mal wieder ein Hupkonzert vorbeifahrender Autos. Borussia Dortmund steht zum vierten Mal nach 1963, 1965 und 1989 im Endspiel um den DFB-Vereinspokal.

Im März spricht man in Dortmund ausschließlich über den "Pott". Zwar betonen die Verantwortlichen die Bedeutung des Alltags, sprich der Bundesliga, doch die Profis erledigen die Aufgaben nur mit mäßigem Erfolg. 0:2 in Bremen, 1:1 gegen Berlin, 0:1 in Hamburg, 1:1 gegen Karlsruhe (wegen eines phänomenal haltenden KSC-Torwarts) und 3:3 in Bochum (nach 0:2-Rückstand) lauten die Resultate. Gerade in den beiden letzten Spielen wird sehenswerter Offensivfußball nur wenig belohnt.
Währenddessen erlebt die Geschäftsstelle einen unglaublichen Ansturm. Unter notarieller Aufsicht wird schließlich die Ticket-Auslosung für das Finale vorgenommen. Borussia Dortmund hat - wie jeder Finalist - exakt 20.491 Tickets erhalten und sich auf den zu erwartenden Nachfrage-Ansturm gut vorbereitet. Denn die BVB-Fans haben mit mehr als 200.000 Kartenwünschen alle Rekorde gebrochen: Insgesamt 103.215 Online-Bestellungen, dazu 2.969 Faxe und Briefe - fast alle wollen zwei Tickets - liegen der BVB-Ticketabteilung zum Ende der Bestellfrist vor.

Um Chancengleichheit zu gewährleisten und um Doppelziehungen zu vermeiden, wird diese Datenbank zunächst von Mehrfach-Anmeldungen einzelner Personen bereinigt, so dass letztlich exakt 92.906 Bestellungen mit mehr als 184.000 Kartenwünschen an der anschließenden Verlosung teilnehmen.
Zigtausend Fußball-Fans transportieren alle 14 Tage auch die DSW21. Sebastian Kehl und Florian Kringe zeigen auf mehreren Tausend Postern, Plakaten und Postkarten den Rüpeln die Rote Karte und machen somit deutlich: Wer sich nicht benimmt, erhält Stadionverbot. Dieses Engagement soll dazu beitragen, allen Fans, die mit Bus und Bahn zum Stadion kommen, auch eine problemlose Anreise zu ermöglichen - und es zeigt Wirkung: Die Zahl der Beschädigungen und Beschwerden geht deutlich zurück. Verein und Transporteur greifen hart durch.
Boris Rupert

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